Charles Fourier

Montag, 13. Juli 2009

Charles Fourier Sein Leben und seine Theorien.

Charles Fourier im Original nachzulesen ist im deutschen Sprachraum ein wenig schwierig. Reich an Originalzitaten ist die Monographie von August Bebel "Charles Fourier
Sein Leben und seine Theorien." aus dem Jahre 1890.
Wir geben sie hier gegliedert vollständig und mit Kommentaren meinerseits versehen wieder.
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Charles Fourier
Sein Leben und seine Theorien.


Von

August Bebel.

Stuttgart
Verlag von J. H. W. Diek
1890

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Lizenzinformationen des Gutenbergprojektes zum Copyright für dieses Werk
http://www.gutenberg.org/files/19596/19596-8.txt
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  • 1.Teil. Vorrede. (klick) (Ausführungen Bebels zur französischen Revolution und zur deutschen 1848. Fourier und seine Zeit).
  • 2. Teil. Zur Person Charles Fourier.(klick) Bebel zur Person und den jungen Jahren Fouriers. Sein Hass auf den Handel.
  • 3.Teil. Charles Fourier und die französische Revolution. (klick) Bebel über Fouriers Skepsis gegenüber der Revolution, da sie die Lage der Masse der Bevölkerung nicht verbessert habe.
  • 4.Teil. Zivilisation und Garantismus. (klick). Bebel führt aus, dass für Fourier der Übergang auf eine höherentwickelte Gesellschaftsepoche (als die Zivilisation) nur die Frage der Entdeckung der der Gesetze der Attraktion durch den richtigen Mann sei.
  • 5.Teil. Die Entdeckung der Gesetze der Attraktion der menschlichen Triebe. (klick) Fourier hält es für menschliche Unzulänglichkeit, dass die Gesetze der Attraktion der menschlichen Triebe nicht früher entdeckt worden seien. Obwohl er politische Strukturen nicht verändern will, stellt allerdings nach Bebel sein System letztlich jede Klassengesellschaft in Frage.
(wird noch ergänzt)

Dienstag, 13. Januar 2009

Bebel - Charles Fourier. 5.Teil. Die Entdeckung der Gesetze der Attraktion der menschlichen Triebe

Daß er, Fourier, dieses Mittel für das Glück der Menschheit entdeckte, ist nach ihm reiner Zufall. Es hätte jeder Andere vor ihm und namentlich die Philosophen, die sich seit mehr als 2500 Jahren bemühten, das Welträthsel zu lösen und das menschliche Glück zu suchen, es auch entdecken können. Sie haben aber immer nur damit sich begnügt, das Bestehende zu loben und haben jede Neuerung, wenn sie ihren Lehren gefährlich oder bedenklich schien, bekämpft und verfolgt. Darum sind auch die 400.000 Bände, die sie ihm zufolge im Laufe der Zeiten in den Bibliotheken, vollgepfropft mit ihren Theorien, aufgestapelt haben, von sehr zweifelhaftem Werth. Um so heftiger bekämpfen sie aber jede Neuerung, die, wie die seine, alle diese Werke über den Haufen wirft und sie nahezu werthlos macht. Diese Philosophen, unter welchen er, wie er wiederholt hervorhebt, die Moralisten, die Metaphysiker, die Politiker und die Oekonomisten _ausschließlich_ verstanden wissen will, weil sie ihm als Vertreter der unsicheren Wissenschaften (»sciences incertaines«) gelten, haben sich deshalb auch gegen ihn verschworen, seine Lehren nicht zur Geltung kommen zu lassen; sie treten ihm überall in den Weg und suchen die Besprechung, selbst die bloße Erwähnung seiner Schriften zu hintertreiben. Gegen sie richtet sich daher sein ganz besonderer Zorn, und er überschüttet sie mit seinem Witz, seiner Satyre und seinem Haß.
Daß, einmal ganz abgesehen von der Frage der Ausführbarkeit seines Systems, seine Theorien, wie sich zeigen wird, im letzten Grunde darauf hinaus laufen, die bestehende Gesellschaft aufzuheben, und daß also das Klasseninteresse der Besitzenden und Herrschenden diese zwingt, seinen Ideen naturgemäß feindlich zu sein, sieht er trotz des außerordentlichen Scharfsinns, der ihm bei der Entwicklung seiner Ideen eigen ist, nicht ein. Er giebt sich allerdings die größte Mühe, die verschiedenen Klassen und Interessen auszusöhnen. Nicht nur sollen alle Regierungen, ohne Rücksicht auf das ihnen zu Grunde liegende politische System, bestehen bleiben, er läßt sogar noch eine große Zahl neuer Staaten und Reiche in den bis jetzt von den Wilden und Barbaren bewohnten Ländern und Erdtheilen sich bilden, wenn erst der ganze Erdball sein System angenommen haben wird, was nach Gründung der ersten Versuchsphalanx -- die Phalanx ist die Genossenschaft, in der sich sein System vollzieht[1] -- nur wenige Jahre dauern wird. Denn die Vortheile, die sein phalansteres System der Menschheit bietet, sind so in die Augen springende, so zur Nachahmung hinreißende, daß, nachdem die Neugierigen von allen Enden des Erdballs sich von den großartigen Vortheilen und Annehmlichkeiten dieses Systems durch den Besuch der Versuchsphalanx überzeugten, sie die größte Eile haben werden, desselben Glückes theilhaftig zu werden.
[Fußnote 1: Phalanx ist der Name einer von Philipp II. von Macedonien in seinem Heere eingeführten Schlachtordnung; die Phalanx war ein dichtgeschlossener, keilförmig geformter, mit Speeren bewaffneter Truppenkörper, der mit seiner Spitze in den Feind eindrang und ihn auseinander sprengte. Der Name für sein System ist also von Fourier nicht übel gewählt.]

Bebel - Charles Fourier. 4.Teil. Zivilisation und Garantismus

Bebel hat im vorangegangenen Teil ausgeführt, dass "die politische Verfassung der Gesellschaft überhaupt eine gleichgültige Sache sei, daß diese mit dem sozialen Zustand nichts zu schaffen habe, und daß es sich darum handele, den letzteren zu verbessern und die politischen Fragen ganz bei Seite zu lassen.". Dieses Unverständnis Fouriers hat Bebel auch kritisiert, um dann fortzufahren:
Nach Fourier besteht also kein wesentlicher Zusammenhang zwischen dem politischen und sozialen Zustand der Gesellschaft, der erstere ist willkürlich, wie auch der letztere mehr oder weniger willkürlich ist. Er hat zwar mit großem Scharfsinn verschiedene Stufen der menschlichen Entwicklung gekennzeichnet, die er als Edenismus, oder Zustand des primitiven Glücks, als Zustand der Wildheit, des Patriarchats oder der Halbbarbarei, der Barbarei und der Zivilisation charakterisirt; aber es unterliegt nach ihm keinem Zweifel, daß die Zivilisation, die er mit den Griechen beginnen läßt, schon längst in den nächst höheren Zustand der Entwicklung, den des Garantismus übergegangen wäre, wenn der richtige Mann sich fand, der den Ausgang aus der Zivilisation entdeckte. Dieser Mann fehlte bisher. Newton war durch die Entdeckung der Gesetze der Attraktion der Weltkörper hart an dem rechten Weg vorbeigestreift, aber er hatte das Bewegungsgesetz nur für die materielle Welt gefunden. Diese Entdeckung war also, so wichtig sie auch sein mochte, für das Glück der Menschheit die minder werthvolle. Die Gesetze der sozialen Attraktion zu entdecken und darauf die universelle Einheit des gesammten Weltalls, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Naturreichen und dem Menschen, zwischen dem Menschen, der Entwicklung des Erdballs und des ganzen Planeten- und Weltsystems, und namentlich auch seine wahren Beziehungen zu dem Weltenschöpfer zu entdecken, dessen ermangelte Newton. Diese Gesetze zu entdecken und damit die wahre Bestimmung des Menschen, die Wege zu seinem Glück, das blieb ihm, Fourier, vorbehalten. Er hat das Mittel entdeckt, das die Menschheit aus Noth, Elend, Unterdrückung, Verkümmerung, Langeweile erlöst, den Menschen mit Gott und dem All in Harmonie setzt. Dieses Mittel ist die Entdeckung der Gesetze der Attraktion der menschlichen Triebe, angewandt auf alle menschlichen Arbeiten und Beschäftigungen, und ihre Bethätigung in der Assoziation durch die Bildung der Serien (Reihen) und Gruppen von Harmonisirenden.

Garantismus nennt Fourier diejenige Periode in der Geschichte der Menschheit, die direkt auf die "Zivilisation" folgen müsse. Max Beer umschreibt sie als "eine Art sozialpolitische Periode als Übergang vom Individualismus zur 7. Stufe: zum Sozialismus— Fourier nennt dies Soziantismus (Nouveau monde 1829, S. XI)". Sie zeichnet sich dadurch aus, daß Menschenrechte praktiziert werden, das Notwendige an Nahrung, Kleidung und Wohnung gesichert sind und vor allem das Recht auf Arbeit anerkannt ist.

Zusammenfassend ist nach Bebel für Fourier die Entdeckung des Garantismus als "Ausgang aus der Zivilisation" durch den "richtigen Mann" als Übergangsgesellschaft zur Harmonie das wichtigste Ereignis in der Zivilisation. Dieser Entdeckung liegt das Verständnis "der Gesetze der Attraktion der menschlichen Triebe" zugrunde.

Bebel - Charles Fourier. 3.Teil. Fourier und die französische Revolution

Charles Fourier haderte mit der französischen Revolution, da die Masse des Volkes wenig durch sie gewonnen hatte. Seine Kritik an der französischen Revolution erfolgte allerdings nicht vom Standpunkt des "Ancien Regime" der Adligen und Pfaffen aus, sondern vom Standpunkt einer befreiten Menschheit.
Mit dem Gang der Revolution konnte er sich nicht befreunden.
Nach seiner Meinung hatte die Masse des Volks sehr wenig dadurch gewonnen, dahingegen hatte die Klasse, die er auf's Tiefste haßte. die handeltreibende Klasse, am meisten profitirt. Und daß die Schriftsteller und Verherrlicher der neuen Ordnung der Dinge das Lob des Handels in allen Tonarten priesen, die Handelsfreiheit als das Ei des Columbus rühmten, als die Einrichtung, aus welcher die allgemeine Wohlfahrt und das allgemeine Glück ersprießen werde, erbitterte ihn noch mehr. Auch war seine Abneigung gegen jede Gewaltthätigkeit, mochte sie von welcher Seite immer kommen, so ausgeprägt, daß er sich nie mit den Gewaltakten der Revolution, deren Nothwendigkeit er nicht einsehen konnte, zu befreunden vermochte, und namentlich haßte er die Jakobiner, als die Vertreter des Schreckensregiments und der Rousseau'schen Philosophie. Nichts konnte ihn später mehr in Aufregung und Zorn bringen, als wenn die Gegner ihm vorwarfen, daß seine sozialen Theorien nur auf dem von den Jakobinern eingeschlagenen Wege verwirklicht werden könnten; dann brach er heftig los. »Nein und tausendmal nein, meine Theorie hat nichts zu thun mit der jener Leute, noch mit ihren Umsturzprojekten.« Er hatte mit seinem kritischen Blick erkannt, daß in der Revolution trotz allem Heroismus und aller Aufopferung des Volkes, trotz einer idealen Verfassung, trotzdem Alles die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit im Munde führte, die Ausbeutung, die Unterdrückung, die Demüthigung der Masse, Lug, Trug und Heuchelei nicht nur geblieben waren, sondern sich wo möglich noch gesteigert hatten. Er hatte gesehen, daß, während die Revolutionäre sich bemühten, mit größter Rücksichtslosigkeit Alles mit blutiger Gewalt niederzuschlagen, was ihren Begriffen von gesellschaftlichem Glück entgegenstand, das Kapital im schreiendsten Widerspruch mit den gepredigten Grundsätzen agirte. Er sah, wie der Güterschacher, der Lebensmittelwucher, die Lieferungsschwindeleien blühten und die neu emporgekommenen und plötzlich reich gewordenen Besitzer ihre Orgien feierten. Ihm war auch der Hunger und das Elend der Massen, ihre Begeisterung und ihre Opferwilligkeit bei der Verteidigung des Vaterlandes nicht entgangen, und alle diese Wahrnehmungen, verbunden mit denen, die er tagtäglich im kleineren Kreise um sich und im Geschäftsleben machte, waren es, die ihn auf den Gedanken brachten, daß die Gesellschaft unmöglich richtig organisirt sein könne, und es eine Ordnung der Dinge geben müsse, die alle diese Auswüchse und Uebel unmöglich mache. Ihm erschien es eine Ungeheuerlichkeit, daß die Revolutionäre und nach ihnen die Ordnungsmänner mit Menschenköpfen wie mit Kegelkugeln spielten; daß man in der gewaltsamen Vernichtung der Parteien das menschliche Glück zu begründen glauben könne. Er begriff nicht, daß alle diese Kämpfe nur stattfanden, weil man der wahren treibenden Kraft, jener geheimnißvollen unfaßbaren Macht, dem unpersönlichen Kapital, nicht auf die Spur kommen und seinen Einfluß nicht beseitigen konnte, noch viel weniger wollte, jenes Dinges, über dessen Definirung die bürgerlichen Ideologen sich bis heute die Köpfe zerbrachen, dessen Räthsel erst der moderne wissenschaftliche Sozialismus löste, der endlich auch diese moderne Sphinx in den Abgrund stürzen wird.

Bebel stellt fest, dass Fourier die französische Revolution nicht wirklich verstand, da er politische Kämpfe für willkürlich hielt.
Fourier, der von Natur für die politischen Kämpfe nicht inklinirte, der durch die vor seinen Augen sich abspielenden Ereignisse in dieser Abneigung noch bestärkt wurde, kam in Folge davon zu der vorgefaßten Meinung, daß die politische Verfassung der Gesellschaft überhaupt eine gleichgültige Sache sei, daß diese mit dem sozialen Zustand nichts zu schaffen habe, und daß es sich darum handele, den letzteren zu verbessern und die politischen Fragen ganz bei Seite zu lassen. Er verfiel also in den entgegengesetzten Fehler der bürgerlichen Ideologen. Diese glaubten durch die Beseitigung des Adels, der Priesterschaft und des Königthums, durch die Begründung der Republik, die Verkündigung der Menschenrechte, die Anstellung idealer Grundsätze Alles geleistet zu haben, was zu leisten möglich sei. Blieben dennoch die Zustände mangelhaft, so lag das nur an der Niederträchtigkeit der sogenannten Volksfeinde, der Aristokraten, der Pfaffen, der heimlichen Anhänger des Königthums, deren man trotz aller Gewaltmaßregeln nicht Herr werden konnte. Man mußte das Volk zur »Tugend« erziehen, zur Vaterlandsliebe, zur Opferwilligkeit, zur Arbeitsamkeit, zur Enthaltsamkeit. Wenn das geschah und Alle »tugendhaft« waren, so konnte der glückliche Zustand nicht fehlen. Die bürgerliche Welt ist am Ende des 19. Jahrhunderts den großen Begründern ihrer Herrlichkeit am Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht um Vieles in der Erkenntniß der gesellschaftlichen Entwicklungsgesetze voraus gekommen, sie dreht sich noch immer in demselben Ideengang und sie wird darin stecken bleiben. Darüber hinauszugehen wäre ihr Tod.

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Bebel - Charles Fourier. 2.Teil.Zur Person Charles Fourier

François Marie Charles Fourier wurde den 7. Februar 1772 zu Besançon als Sohn eines wohlhabenden Großhändlers geboren. Der Vater genoß in seiner Heimath eines ziemlichen Ansehens, er wurde 1776 zum Handelsrichter gewählt. Charles (Karl) war das vierte Kind seiner Eltern, die drei älteren Geschwister waren Mädchen. Der Vater, der 1781 starb, hinterließ ein Vermögen von zweihunderttausend Livres, wovon laut Testament der Sohn zwei Fünftel, also 80.000 Livres, erbte.
Fourier verlor das väterliche Vermögen
Fourier liebte es nie, über seine persönlichen Verhältnisse zu sprechen; geschah es dennoch, so nur, um eine seiner Theorien in dieser oder jener Weise damit zu unterstützen. Seine Schüler und selbst seine intimsten Freunde erfuhren erst nach seinem Tode, daß er in der Belagerung von Lyon, 1793, durch die Konventstruppen das ziemlich beträchtliche väterliche Vermögen vollständig eingebüßt hatte.

Entbehrungsreiches Leben
Stoiker ohne Ziererei und Künstelei, sprach er nie von der ersten Ursache, die ihm ein Leben voll Entbehrungen und Einschränkungen auferlegte.
Gerechtigkeitssinn
Fourier zeigte von frühester Jugend einen entschiedenen Willen, eine unerschütterliche Rechtschaffenheit. Als einziger Sohn vom Vater für den Handel bestimmt, erzählt er selbst in einem seiner Werke, wie er frühzeitig gegen denselben eingenommen wurde. Da diese Stelle für den ganzen Mann charakteristisch ist, geben wir sie ihrem Hauptinhalt nach wieder. Er sagt: Man muß den Handel als ein grau gewordener Praktiker, der vom sechsten Jahre ab im kommerziellen Schafstall erzogen wurde, kennen. Er habe in diesem Alter den Unterschied zwischen dem Handel und der Wahrheit kennen gelernt. Im Katechismus und in der Schule habe man ihm gelehrt, nie zu lügen, dann führte man ihn in den Laden, um ihn frühzeitig in dem edlen Handwerk der Lüge oder der Kunst, wie man verkauft, zu üben. Betroffen über die Betrügereien und Schwindeleien, habe er Käufer, die betrogen werden sollten, bei Seite genommen und ihnen den Betrug entdeckt. Einer von diesen sei unanständig genug gewesen, ihn zu verrathen, was ihm eine Tracht Prügel einbrachte, und im Tone des Vorwurfs hätten seine Eltern erklärt: der Junge wird nie für den Handel taugen. In der That, er habe eine tiefe Abneigung gegen ihn empfunden, und, sieben Jahre alt, habe er einen Eid gegen den Handel geschworen, wie ihn ähnlich Hannibal, neun Jahre alt, gegen Rom schwur: »Ich schwöre ewigen Haß dem Handel.« Fourier's Haß gegen Ungerechtigkeit veranlaßte, daß er schon als Knabe sich stets der schwachen unter seinen Gespielen gegen die stärkeren annahm, und obgleich er mehr schwächlich als robust war, fürchteten ihn die stärkeren und älteren seiner Gespielen. Dabei war er ein harter Kopf, aber ein vortrefflicher Kamerad und voll Zuneigung. Auch lernte er mit außerordentlicher Leichtigkeit und gewann mehrfach die ersten Preise, namentlich in lateinischer Poesie. Aelter geworden, wollte er nach Paris, um dort namentlich Logik und Physik zu studiren, aber ein Freund der Mutter, der um Rath gefragt wurde, rieth ab, ihn den Gefahren der Großstadt auszusetzen, auch seien die erwähnten Wissenschaften einem Kaufmann nicht vonnöthen; er setzte allerdings hinzu, er glaube, daß ihr Sohn am Handel keinen Geschmack habe und rieth, ihn nicht wider seinen Willen zu zwingen. Das Letztere geschah aber dennoch. Fourier sollte zunächst nach Lyon zu einem Bankier kommen, aber an dessen Thüre desertirte er, erklärend, daß er niemals Kaufmann werden wolle. Darauf kam er nach Rouen, wo er ein zweites Mal auskniff. Schließlich beugte er sich unter das Joch und trat in Lyon in die Lehre, und so habe er, wie er selbst sagt, die schönsten Jahre seines Lebens in den Werkstätten der Lüge zugebracht, überall und stets die Wahrsagung hörend: »Ein rechtschaffener junger Mann, aber er taugt nicht für den Handel.«
Leidenschaften Fouriers
Besondere Neigung besaß Fourier für die Geographie, und so verwandte er sein Taschengeld hauptsächlich für die Anschaffung von Karten und Atlanten; nächstdem liebte er außerordentlich die Blumenzucht und kultivirte solche in vielen Arten und Abarten; ferner hatte er großen Hang zur Musik und lernte mehrere Instrumente, und zwar ohne Lehrer, spielen.
Parteinahme Fouriers für Schwache
Ein hübscher Zug ist aus seinen Schuljahren bekannt geworden. Obgleich er kein starker Esser war, nahm er täglich ein tüchtiges Stück Brot mit kaltem Fleisch belegt, zur Schule mit. Als er sich eines Tages auf einer kleinen Reise befand, stellt sich ein armer Knabe im Laden ein, und frug, ob der kleine Herr krank sei. Als man dies verneinte und ihm mittheilte, er sei verreist, brach der Kleine in Weinen aus. Nach der Ursache befragt, antwortete er: daß er nunmehr sein Frühstück verloren habe, das ihm der junge Herr täglich gebracht habe. Er wurde getröstet und wurde ihm für Ersatz gesorgt.
Zufälle des Lebens
Fourier machte, bevor er sich dem Wunsche seiner Mutter, Kaufmann zu werden, fügte, noch einen Versuch, in die Militair-Ingenieurschule zu Mézieres aufgenommen zu werden, aber wegen seiner bürgerlichen Abkunft wurde er zurückgewiesen, worüber er sich in späteren Jahren selbst beglückwünschte, weil er sonst von seinen Studien über den sozialen Mechanismus würde abgezogen worden sein. So entscheidet das spätere Schicksal der Menschen meist der Zufall, und da spricht man beständig von den persönlichen Verdiensten. Wie viel bedeutende Männer hatten, als sie eine gewünschte Laufbahn verfehlten, eine Ahnung, daß gerade in diesem _Verfehlen_ die erste Ursache zu ihrer künftigen Berühmtheit lag? –
Reisen
Nachdem Fourier seine Lehrzeit in Lyon absolvirt hatte, kam er, 1790 auf einer Reise nach Rouen begriffen, um dort eine Stellung als Reisender anzunehmen, ein Posten, der zu jener Zeit ein ganz besonderes Vertrauen voraussetzte, zum ersten Mal auf einige Zeit nach Paris, das ihm sehr gefiel. Mit Hülfe der Zuschüsse, die er aus seinem Vermögen besaß, besuchte er allmälig die meisten Städte Frankreichs, bereiste Deutschland, Holland und Belgien, überall sorgfältig beobachtend und studirend. Von den Deutschen empfing er eine sehr günstige Meinung, er nannte sie das unterrichtetste und vernünftigste Volk. Besonders imponirten ihm die vielen deutschen Städte, die Sitze von Kunstanstalten, Universitäten und höheren Bildungsanstalten waren -- die gute Seite und Wirkung der deutschen Kleinstaaterei. Er beklagte später tief, daß für Frankreich Alles in Paris konzentrirt wäre, und in Folge dessen alle übrigen Städte Frankreichs langweilige, monotone und versimpelte Orte seien, in denen jeder höhere geistige Flug fehle. Auf allen diesen Reisen studirte Fourier das Klima der verschiedenen Gegenden, ihre Bodenbeschaffenheit, die Gewerbe, die Bauart der Städte und Straßen und nicht zuletzt den Charakter der Bewohner. Es gab in keiner größeren Stadt, die er besucht hatte, ein hervorragendes Gebäude, dessen Architektur und Dimensionen er nicht genau kannte. Nur für die Sprachen hatte er wenig Sinn, daher auch sein Verlangen in seinem Hauptwerk, das schon im Titel seine Auffassung ausdrückt. »Theorie der universellen Einheit«, daß die Vielsprachigkeit eine der schlimmsten Fehler des Menschengeschlechts sei, und die Schaffung einer Weltsprache, wofür er die französische am geeignetsten hielt, eine der ersten Aufgaben einer neuen sozialen Ordnung der Dinge sein müsse. Den Deutschen machte er zum Vorwurf, daß sie mit Hartnäckigkeit an ihrer besonderen Schriftsprache festhielten, die doch andere germanische Völker, wie die Engländer und die Holländer, längst aufgegeben hätten. Bekanntlich ist heute, nach mehr als siebenzig Jahren, diese Frage in Deutschland noch kontrovers, wenn auch für wissenschaftliche Werke im Sinne Fourier's entschieden.--
Nachtarbeiter
Da Fourier durch sein Geschäft über Tag stets vollständig in Anspruch genommen war, benützte er, und namentlich dann, nachdem er sein Vermögen verloren und auf das Einkommen aus seiner kaufmännischen Stellung allein angewiesen war, die Nächte, um sich weiter zu bilden. Er befaßte sich hauptsächlich mit Anatomie, Physik, Chemie, Astronomie und Naturgeschichte. Sein Haß gegen den Handel steigerte sich mit den Jahren, je genauer er das Treiben in demselben kennen lernte, immer mehr und spornte ihn zu seinen sozialen Studien an. Namentlich machte es einen tiefen Eindruck auf ihn, als er 1799 in einer Stellung in Marseille seitens seines Chefs den Befehl erhielt, eine Schiffsladung Reis in's Meer zu versenken, damit die Waare im Preise steige.

Bebel - Charles Fourier. 1.Teil

Charles Fouriers Zeit. Französische und deutsche Revolution. Bebel erklärt den Lesern seiner Fourier - Monographie die historischen Rahmenbedingungen, in denen Fourier lebte. Hervorhebungen von mir.

Vorrede.

Das achtzehnte Jahrhundert zählt in der Geschichte der Entwicklung der Menschheit zu jenen Perioden, auf denen der Blick des Kulturforschers und Fortschrittsfreundes mit besonderem Interesse ruht. Nach den religiösen, politischen und sozialen Kämpfen des Reformationszeitalters war, wie das stets nach großen Volks- und Massenbewegungen zu geschehen pflegt, eine Art Stillstand und Rückschlag für die Fortentwicklung eingetreten. Die durch die Reformationsbewegungen zur Geltung gekommenen Stände und Interessen suchten sich zu konsolidiren und die daraus hervorgehenden Reibungen führten wieder zu gewaltsamen Kämpfen und Erschütterungen von mehr oder weniger langer Dauer, die alle übrigen Interessen absorbirten, den materiellen wie den geistigen Fortschritt der Massen für lange Zeit hemmten.
Über die Bedeutung der Reformationsbewegung für Deutschland. Letztlich diente sie der Stärkung der Position der Landesfürsten.
In Deutschland hatte die Reformation dem Landesfürstenthum Oberwasser verschafft. Die Landesfürsten hatten die Reformation benutzt, um unter dem Deckmantel der Religion die eigene Hausmacht nach Möglichkeit zu stärken dadurch, daß sie den kleinen Adel sich unterthänig und von sich abhängig machten, die Macht der Geistlichkeit brachen, sich selbst die bischöfliche Gewalt beilegten, Kloster und Kirchengut konfiszirten und die gewonnene Macht benutzten, sich immer mehr von der Kaisergewalt zu emanzipiren, diese zum bloßen Schatten zu degradiren. Aus diesem Interessenkampf der Fürsten entstanden die sogenannten Religionskriege, der schmalkaldische und der dreißigjährige Krieg, die Deutschlands politische Ohnmacht und Zerrissenheit auf Jahrhunderte besiegelten, seine ökonomische Schwächung -- die schon durch die Umgestaltung der Weltmarktsbeziehungen in Folge der Entdeckung von Amerika und des Seewegs nach Ostindien veranlaßt war -- noch vergrößerten und allgemeine Armuth, schweren geistigen und geistlichen Druck über Länder und Völker verbreiteten.

In Frankreich rief die Reformation (als frühbürgerliche Bewegung) das absolute Königtum hervor.
In Frankreich erzeugte die Reformation die Kämpfe der Hugenotten, d.h. des hugenottisch gesinnten Bürgerthums und die des frondirenden Adels gegen das frühzeitig sich entwickelnde, alles zentralisirende absolute Königthum. Nach längeren Kämpfen siegte das letztere und fand in Ludwig XIV. seinen glänzendsten, aber auch seinen bedrückendsten und gewaltthätigsten Vertreter. Die inneren und äußeren Kämpfe Frankreichs im 16. und 17. Jahrhundert hemmten die freie Entwicklung des materiellen wie geistigen Fortschritts.
Bürgerthum und Adel gegenseitig feindlich, das Land nach außen, namentlich unter dem erwähnten Ludwig, von einem Krieg in den anderen gestürzt, war schließlich erschöpft und verarmt. Solche Zeitalter sind nicht geeignet, große Ideen zu gebären, für geistige Kämpfe die Bahn frei zu machen. Dagegen zeigte das achtzehnte Jahrhundert in Frankreich ein ganz anderes Bild. Frankreich bildete für dieses Zeitalter die Wiege des menschlichen Fortschritts auf allen Gebieten; hier entwickelte sich allmälig eine Fülle von geistigem Glanz und Leben, wie sie bis dahin kein Volk und kein Zeitalter in gleichem Maße erlebte. Die Menschen wuchsen sozusagen über sich selbst hinaus und setzten alle Geister und Herzen in der ganzen Kulturwelt in Bewegung. Frankreich mag viel gesündigt haben, die Dienste, die es während des achtzehnten Jahrhunderts der Menschheit leistete, werden ihm, so lange Menschen leben, unvergessen bleiben.

Der Zerfall der absoluten Monarchie in Frankreich und das Nahen der Revolution.
Die Fortschritte begannen unmittelbar nach dem Tode Ludwig's XIV., dessen Gewalt mit eisernem Drucke auf dem Lande gelastet, alle freie bürgerliche Regung erdrückt, alle freie geistige Bewegung erstickt hatte. Das Land stand nach seinem Tode am Rande des materiellen und geistigen Bankerotts. Allmälig erholte sich das Volk und arbeitete sich, wenigstens in den Städten, wo die feudale Macht des Adels und der Geistlichkeit am wenigsten sich fühlbar machen konnte, empor. Die Männer von Bildung und Geist, die nach der Entwicklung und Entfaltung der Kräfte des Landes strebten, eilten nach jenseits des Kanals, nach England, um dort, an den Quellen des öffentlichen Lebens, die Studien zu machen, zu denen ihnen im eigenen Lande die Gelegenheit und die Möglichkeit fehlte.
Zurückgekehrt nach der Heimath, begannen sie die Arbeit, die langsam aber sicher den stolzen Bau des absoluten Staats und der feudalen Gesellschaft untergrub und unterhöhlte, bis zu Ende des Jahrhunderts in einem Riesenzusammenbruch Beides, Staat und Gesellschaft, zusammenstürzten, und durch ihren Fall ganz Europa aus den Fugen trieben.

Schwächung der absoluten Monarchie
Das Königthum gerieth nach Ludwig XIV. in die Hände von Schwächlingen, die Geistlichkeit und der Adel waren verlottert und verweichlicht; eine Minorität unter den beiden Ständen war geneigt, angeekelt von dem Treiben der eigenen Klasse und den Zuständen um sich, neuen Ideen sich zugänglich zu erweisen und spielte mit dem Feuer, dessen Gefährlichkeit sie nicht kannte. So erklärt sich, daß die Männer der neuen Zeit mit ihren alles Alte angreifenden und erschütternden Ideen vielfach gerade dort einen bereiten Boden fanden, wo man ihn am wenigsten hätte erwarten sollen. Aber es hatte sich auch des Bürgerthums ein Drang nach Wissen und Bildung, nach politischen Rechten, ein Geist der Unzufriedenheit über das Bestehende bemächtigt, wodurch die Bewegung schließlich zum Alles niederreißenden Strom anschwoll.

Das französische Bürgertum
Das Bürgerthum, politisch so gut wie rechtlos und machtlos, die Vertretung seiner Magistrate in den alten ständischen Parlamenten mißachtet, mit Abgaben unangenehmster Art beschwert, durch Zunft-, Bann- und Höferechte in seiner materiellen Entwicklung behindert, von Adel und Geistlichkeit geringschätzig und verächtlich behandelt, aller persönlichen Rechte und der Garantien persönlicher Freiheit beraubt, sehend, wie die ungerecht vertheilten und gewaltsam beigetriebenen Steuern und Abgaben von einem in der Liederlichkeit verfaulenden Hof verschlemmt und verpraßt wurden, erfaßte mit Gier die neuen Ideen, welche die Rechtmäßigkeit der feudalen Vorrechte angriffen, die religiösen Vorurtheile, unter deren Druck es litt, in Zweifel zogen, die allgemeine Freiheit und Rechtsgleichheit lehrten. Der neue Staat und die neue Gesellschaft wurden in den verführerischsten Farben dargestellt, politische Macht, Reichthum, geistige Freiheit und Gleichheit Allen in Aussicht gestellt.
Nahen der Revolution
Wenn in einem Gesellschaftszustand die Dinge sich einmal so weit entwickelten, daß ein großer Theil der Betheiligten und Interessirten von Unzufriedenheit und Mißstimmung gegen das Bestehende und von Sehnsucht nach besseren Zuständen erfüllt ist, so wird der alte Zustand sich auf die Dauer nicht halten können, was immer für Mittel und Praktiken in Anwendung kommen, ihn zu erhalten und zu stützen. Mag die Sehnsucht der Masse nach Veränderung des Bestehenden, nach Umgestaltung ihrer Lage zunächst nur eine Sache des Gefühls sein, das aber in dem thatsächlichen Zustand der Verhältnisse seine Begründung und seine Berechtigung findet. Mag diese Masse sich über den Weg wie über die Mittel, durch die ihr geholfen werden könnte, noch so unklar sein, der Moment kommt, wo sie mit elementarer Macht, _instinktiv stets richtig_, nach dem bestimmten Ziele drängt und die bewußten und wissenden Geister zwingt, sich zu ihrem Organ, zu ihrem Mundstück und zu ihren Werkzeugen aufzuwerfen, um die Bewegung zum richtigen und nach Lage der Verhältnisse möglichen Ziele zu leiten. Die Führer sind unter solchen Umständen stets Werkzeuge, nicht Macher, und sie werden bei Seite geworfen, sobald sie sich zu Machern aufwerfen, die Bewegung für sich und nach eigenem Gutdünken, statt im Interesse der Betheiligten zu benutzen suchen. Die rasche Abwirthschaftung der Führer in akut gewordenen Volksbewegungen hat in diesem Geheimniß ihren Grund, sie wollen Allesmacher sein, wo sie nur Werkzeuge sein sollen und können. Da man sich hüben wie drüben dieses Verhältnisses selten bewußt ist, schreien die Einen über Verrath, die Andern über Undankbarkeit der Masse; das Erstere ist selten wahr, das Letztere zu behaupten stets eine Narrheit, ein Verlangen, das nur Diejenigen stellen können, die sich über die Natur ihrer Stellung nie klar waren, Schieber zu sein glaubten, wo sie nur Geschobene sein konnten.
Periode der Gärung
Jeder großen Umgestaltung in der Gesellschaft geht zunächst eine Periode der Gährung voraus, eine Periode, die, je nach dem Stande der allgemeinen Bildung und Kultur, nach dem Gewicht der betheiligten Klassen und nach der Kraft und der Macht der widerstrebenden Gewalten, bald längere, bald kürzere Zeit dauert, ehe die Bewegung zum offenen Ausbruch kommt und ihr Ziel in irgend einer Form, das wieder von dem mathematischen Kraftverhältniß der gegeneinander wirkenden Faktoren abhängt, erreicht. Geht eine Bewegung über ihr Ziel hinaus, d.h. erreicht sie mehr, als sie, in sich selbst zur Ruhe gekommen, im Interesse der nun in der Macht befindlichen Gewalten, die nunmehr den Schwerpunkt bilden, um den Alles gravitirt, erreichen _soll_ und, setzen wir hinzu, erreichen _darf_, so folgen die Rückschläge. Mit andern Worten, eine ihrem inneren Wesen nach selbst wieder auf Klassenherrschaft abzielende Bewegung darf nicht weiter gehen, als sie die Unterstützung der maßgebenden Interessirten findet.
Revolution und Reaktion.
Scheinbar ist bis jetzt jeder Revolution eine Reaktion gefolgt, in Wahrheit wurde die Bewegung stets auf ihren "natürlichen" Schwer-und Ruhepunkt zurückgeführt, weil sie darüber hinaus ging. Dieser Zustand ist aber stets, auch wenn er durch eine gegen die weiter vorwärts drängenden Elemente gerichtete gewaltsame Reaktion herbeigeführt wurde, dem Zustande, der _vor_ der Bewegung bestand, weit voraus. Man hört z.B. so häufig die Bemerkung machen, daß die bürgerliche Revolution der Jahre 1848 und 1849 in Deutschland an der Macht der Reaktion gescheitert sei. Das ist einfach nicht wahr.
Die Bewegung hat erreicht, was sie nach ihrem "wahren innern Gehalt" erreichen konnte. Revolution und Reaktion rangen so lange mit einander, bis sie auf dem Punkt ankamen, auf dem sie sich zu verständigen vermochten. Die Grenze war, wo die Lebensfähigkeit des Alten aufhörte und die Lebensmacht des Neuen begann. Von vornherein war ein großer Theil der anfangs revolutionären Kräfte, die das behäbige Bürgerthum umfaßten, entschlossen, über eine gewisse Grenze nicht hinaus zu gehen. An diesem Punkt angekommen, trennten sich diese Kräfte von den weiter drängenden Elementen. Dadurch verlor die Bewegung einen Theil ihrer Kraft, sie war ohnmächtig, weiter zu gehen. Und wie immer nach 1849 die Reaktion in
Deutschland hauste, das, was thatsächlich jetzt bestand, ging weit über das hinaus, was vor 1848 bestanden hatte. Die neuen Ideen hatten trotz alledem gesiegt und Alles, was seitdem in Deutschland geschah, ist nur durch diesen Sieg im »tollen Jahr« möglich geworden.
Rückschläge werden nun nothwendig in jeder Bewegung kommen, die selbst wieder auf Klassenherrschaft, wenn auch sich selbst unbewußt, hinausläuft. Ein solcher Rückschlag kann erst dann unterbleiben, wenn eine Bewegung siegt, die in ihrem Wesen und Prinzip die Aufhebung _aller_ Klassenherrschaft _bedingt_ und daher _alle_ Formen sozialer und politischer Herrschaft _aufheben muß_.

Bisherige Volksbewegungen waren Klassenbewegungen des Bürgertums, sagt Bebel.
Bisher waren alle Bewegungen, die ihr Ziel erreichten, Bewegungen der ersteren Art, und so begreift sich von vornherein, daß auch _die_ Bewegung, die gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Frankreich begann und im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts zur Entscheidung kam, diesem Schicksal aller bisherigen großen Volksbewegungen nicht entgehen konnte. Ihr Charakter als Klassenbewegung des Bürgerthums, ihr Ziel, die Herrschaft desselben zu begründen, zwang sie schließlich, sich gegen die revolutionäreren Elemente in ihrer eignen Mitte zu richten, und, da man innerhalb der Bewegungselemente und nachdem die Bewegung absolut gesiegt hatte, weder hüben noch drüben diesen inneren Widerspruch, in dem man sich zu einander befand, begriff, mußte man sich gegenseitig bis zur Vernichtung bekämpfen und im Blute ersticken. Die Interessen des Großbürgerthums mußten, weil sie die entscheidenden waren, die Oberhand behalten, aber aus Furcht vor neuen inneren Gegensätzen und Kämpfen warf sich dieses der Militärdiktatur des Konsulats und des Kaiserreichs in die Arme, um sich, d.h. _die neue Gesellschaft_, zur Ruhe und zum Genuß des Errungenen kommen zu lassen.
Der Kampf gegen das alte System richtete sich in Frankreich gegen alle bisherigen Grundlagen der alten Gesellschaft, gegen die Kirche, den Adel, die absolute Staatsgewalt, gegen die Besteuerungs-, die Eigenthumsformen, das Erziehungssystem, die sozialen Einrichtungen.
Nichts blieb im Laufe der Jahrzehnte, die dieser zunächst rein literarische Kampf währte, unangetastet. Die Angriffe wurden immer kühner. Ganz neue Staats- und Gesellschaftssysteme (Condorcet, Morelli, Mably, Rousseau) tauchten auf und erklärten dem Bestehenden den Krieg; ebenso wurden fast alle Zweige der
Naturwissenschaften und insbesondere auch die Philosophie in der radikalsten Weise behandelt. Die Verfolgungen, welche die Staatsgewalt und die Kirche gegen diese Feinde der alten Ordnung in Szene setzten, hatten so gut wie keine Wirkung, sie gossen nur Oel in's Feuer. Jahrelange Gefängnißstrafen, Verbannungen, Degradirungen, Ausweisungen gegen die Verfasser, Verbrennung ihrer Bücher und Schriften, Verbote gegen ihre Verbreitung, gesellschaftliche Aechtung der Autoren, Alles half nichts. Die Bewegung schwoll von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr an, sie ergriff Alles, was Kenntnisse und Intelligenz besaß, sie erfaßte sogar die Frauen und wuchs so, daß die Gewaltmittel des Staates versiegten und dieser wie die Kirche von einer Position in die andere zurück gedrängt wurden. Im vorletzten Jahrzehnt vor der Revolution gab es in Frankreich keinen Schriftsteller von einiger Bedeutung, der nicht im Gefängniß gesessen oder Verbannung erlitten, oder dessen Werke nicht verboten oder öffentlicht verbrannt worden, oder der nicht in irgend sonst einer Weise verfolgt, drangsalirt und geschädigt worden war. Voltaire, Montesquieu, Rousseau, Beaumarchais, Diderot, d'Alembert, La Mettrie, La Harpe, Marmontel, Morellet, Buffon, Linguet und viele, viele Andere verfielen der Verfolgung. Wenn Holbach und Helvetius, Turgot, Quesnay, Necker, Condillac, Laylain, Cuvier, Lavoisiers, Bichot, Mirabeau der Aeltere solchen Verfolgungen entgingen, geschah es, daß sie, wie die beiden Erstgenannten, anonym schrieben, oder daß sie zu einer Zeit schrieben, wo das System, von der Nutzlosigkeit der Verfolgungen betroffen, ermüdet war, oder daß
sie wissenschaftliche Thematas behandelten, die dasselbe nicht direkt berührten. Und auch in letzterer Beziehung ging das Mißtrauen sehr weit; so mußte Buffon, als er 1751 seine Naturgeschichte veröffentlichte, der Pariser theologischen Fakultät ausdrücklich versprechen, daß Alles, was er in seinem Buche lehre, mit der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht in Widerspruch stehe.
Die Enzyklopädie der d'Alembert, Diderot und Genossen aber wurde mit der Motivirung verboten, »daß sie Grundsätze enthalte, welche darauf hinzielten, den Geist der Unabhängigkeit und Empörung zu wecken und unter dunkeln und zweideutigen Ausdrücken den Grund zum
Irrthum, zur Sittenverderbniß und zum Unglauben zu legen.« Doch alle diese Maßnahmen retteten das System nicht.
Die Bewegung hatte endlich ihren Höhepunkt erreicht, die
Gesellschaft wollte statt der Theorien Thaten sehen. Der Hof suchte durch halbe Konzessionen und kleinliche Maßregeln, die das Gegentheil erzeugten von dem, was sie bezweckten, dem Drängen nachzugeben. Der Sturm brach endlich los. Wir beschreiben nicht die französische Revolution, wir skizziren sie nur kurz, weil dies für unsern Zweck genügt.

Die französische Revolution.
Die Nationalversammlung, anfangs den Bestand des Königthums als selbstverständlich ansehend, wurde im Laufe der Ereignisse über sich selbst hinaus getrieben. War die Konstituante noch königlich, der Konvent wurde republikanisch. Die zunehmende Noth der Massen, Mangel an Lebensmitteln, Mangel an Arbeit, Wucher, Mißtrauen gegen Oben schürten den Brand. Die royalistischen und pfäffischen Intriguen im In- und Ausland, die Alles beunruhigten, weil sie alles Gewonnene in Frage zu stellen schienen, verstärkten die schon vorhandene heftige Aufregung. Der Fluchtversuch des Königs, seine ganze zweideutige Haltung steigerten das Mißtrauen und den Haß gegen ihn und die alten Stände. Der Zustand der Staatsmaschinerie, die durch die Ereignisse in Unordnung gebracht, durch die Aufhebung der alten drückenden Steuerlasten und Abgaben der Mittel zur Funktionirung beraubt war, zwang zur Ausgabe von Massen Papiergeld (Assignaten), die als Zahlungsanweisungen auf die konfiszirten Kirchengüter und später auch auf die konfiszirten Güter der emigrirten Adeligen ausgegeben wurden. Aber da in dem allgemeinen Tohuwabohu der Verkauf dieser Güter sehr langsam vor sich ging und die Staatsbedürfnisse in's Riesenmäßige stiegen, als das Land gezwungen wurde, nach dem Sturz des Königthums und der Enthauptung des Trägers der Krone, gegen das ganze zivilisirte monarchische Europa Krieg zu führen, fielen die Assignaten sehr bedeutend im Werth. Ende 1790 schon 1200 Millionen betragend, stiegen sie im Laufe der Jahre auf 8, dann auf 12, endlich auf 24 Milliarden. Ihre Vermehrung steigerte ihre Werthlosigkeit, die schließlich nur noch ein Hundertstel und weniger ihres Nennwerthes betrug, und dies erzeugte eine vollständige Revolution aller Preise. Zu den Kämpfen nach Außen kamen gewaltige Kämpfe im Innern.
Adel und Geistlichkeit intriguirten und konspirirten in
hunderterlei Formen, um wieder zur Herrschaft zu kommen. England, das unter dem Ministerium Pitt die inneren Kämpfe Frankreichs vortrefflich ausnutzte, um seine See- und Kolonialmacht auf Kosten Frankreichs zur allbeherrschenden zu machen, das jetzt Rache nahm
für die Hülfe, die Frankreich anderthalb Jahrzehnte zuvor der Unabhängigkeitsmachung der Vereinigten Staaten von England geliehen, dieses England sandte geheime Agenten über geheime Agenten, die mit Geld reichlich ausgestattet den inneren Kampf schüren mußten. Im Westen des Reiches erhob sich, ebenfalls von England unterstützt, die streng konservativ und kirchlich gebliebene Bevölkerung der Vendee und Bretagne, im Süden erhoben sich die theils royalistisch, theils girondistisch gesinnten Städte, vor allem Lyon, dessen Luxusindustrie unter all diesen Ereignissen außerordentlich litt. Im Konvent brach nach dem Sturz des Königthums der Kampf der verschiedenen bürgerlichen Parteien unter sich aus. Die kleinbürgerlichen Massen, hauptsächlich in den Klubs und speziell in dem Jakobinerklub organisirt, nahmen thatsächlich die Leitung der Ereignisse in die Hand und drängten den Konvent von Handlung zu Handlung. Vergebens suchten die Vertreter der eigentlichen Bourgeoisie, die Girondisten, zu widerstehen, sie unterlagen und endeten durch Ausstoßung oder auf dem Schaffot.

Die Schreckensherrschaft.
Die Schreckensherrschaft begann. Das in seinen tiefsten Tiefen aufgeregte Volk, im Inneren von den royalistischen Verschwörungen bedroht, an den Landesgrenzen die europäischen Heere erblickend, welche drohten als Hersteller des Alten das ganze Land zu überziehen, von Arbeits- und Verdienstlosigkeit heimgesucht, vom Hunger gepeinigt, rapide Entwerthung des Geldes, rapide Verteuerung der Lebensmittel sehend, ohne sich all dies genügend erklären zu können, gerieth in Raserei. Die Gewaltszenen häuften sich und das Blut der Feinde der Republik und Derer, die man als Feinde des Volks ansah, floß in Strömen. Um der zunehmenden Verzweiflung der Massen zu steuern, war der Konvent gezwungen, das sog. Maximum einzuführen, d.h. den Preis festzustellen, zu dem die nothwendigsten Lebensmittel abgegeben werden mußten; und als 1794 abermals eine Hungersnoth drohte, weil die Verkäufer der Lebensmittel allerorts mit ihren Waaren zurückhielten, mußte er sogar die Rationirung des Brotes für die pariser Bevölkerung einführen. Aber da alle diese Maßregeln den ersehnten Zustand nicht herbeiführen wollten, Arbeitslosigkeit, Wucher, Geldentwerthung, Beunruhigung fortdauerten, die schönste Verfassung, welche die Welt gesehen, mit all ihren Freiheiten und Rechten, weder die Freiheit, noch die Gleichheit, noch die Brüderlichkeit begründete, der ganze Zustand immer wirrer aber auch unfaßbarer wurde und Keiner die Lösung des Räthsels fand, _was war natürlicher, als daß man die Personen verantwortlich_ machte "für die Dinge, deren Natur man nicht begreifen konnte"!
Eine Partei klagte die andere an, suchte sie als die Ursache des allgemeinen Unglücks zu vernichten. Die Royalisten waren in Schaaren geopfert, proskribirt, eingekerkert, flüchtig, die Girondisten waren vernichtet. Jetzt traf die Reihe die Dantonisten, ihnen folgten die Hebertisten, schließlich kamen die, welche alle Andern geopfert, die Terroristen, die Robespierrianer selbst an die
Reihe. Diese »Tugendhaften« hatten die Republik und das allgemeine Wohl nicht retten können; die ihnen jetzt in der Herrschaft folgten, die Männer der richtigen Mitte, des ehemaligen Sumpfes im Konvent, die Schlauberger, die es mit allen Parteien gehalten, um es mit keiner zu verderben, die keine Ideale und keine Leidenschaften besaßen, retteten auch weder die Republik, noch begründeten sie das allgemeine Wohl. An Beiden lag ihnen herzlich wenig, aber sie thaten etwas Besseres, sie retteten sich und das Wohl ihrer Klasse, und dies war schließlich das »allgemeine Wohl«.

Das Kapital als Sieger der französischen Revolution.
In allen Kämpfen und Wirrnissen der Revolution, als die Leidenschaften den höchsten Grad erreichten, andererseits die Begeisterung erglühte, die glänzendsten Gedanken, die bis dahin nur menschliche Hirne erfassen konnten, in Worte und Thaten sich umsetzten, gab es ein geheimnißvolles Etwas, das wie der Geist über den Wassern schwebte, mit dämonischer Kaltblütigkeit in alle Pläne und Projekte eingriff, sie förderte oder zerstörte, wie es seinem Interesse entsprach, dabei Allen sichtbar und doch unfaßbar war, diese Macht war -- _das Kapital_. Das Kapital hatte unter all den Ruinen und Zerstörungen, welche die Revolution geschaffen, allein die Beute eingeheimst und schließlich den Sieg davon getragen. Das
Kapital hatte aus allen inneren und äußeren Verlegenheiten des Königthums und der Republik den alleinigen Nutzen gezogen; es hatte die Güterkonfiskationen, die Assignatenwirthschaft, das Maximum, die Rationirungen, die Feldzüge mit ihren Waffen-, Bekleidungs- und Lebensmittellieferungen, die Waareneinfuhrsperre gegen England, kurz alle und jede Maßregel, welche die Konstituante, dann der Konvent, dann der Wohlfahrtsausschuß, jetzt das Direktorium im
Interesse des Landes vollzogen, in seinem Nutzen auszubeuten und auszuschlachten gewußt. Mitten unter den Blutszenen der Revolution saß es bei der Ernte und berechnete kaltblütig die Profite, die ihm diese oder jene Maßregel der Gewalthaber abwerfen werde. Ueberall seine Agenten habend, in den Klubs, im Konvent, im Wohlfahrts- und im Sicherheitsausschuß, unter den Konventsdelegationen in den Provinzen, in der Leitung und Verwaltung der Armeen, in den Zivilverwaltungen der eroberten Staaten, Städte und Provinzen, machte es ungeheuere Gewinne. Es feierte Orgien wie nie zuvor und
kaum je nachher. Die großen Vermögen wuchsen wie Pilze aus dem Boden, der Spekulations- und der Handelsgeist griff immer weiter um sich und beherrschte das ganze öffentliche und private Leben, alle Beziehungen der Menschen. Die Lehren eines Adam Smith fanden ganz
spontan, aus der Natur der Dinge heraus, ihre Anerkennung und ihre Verwirklichung, und es kamen die Lobredner der neuen Ordnung, wie sie immer sich finden, sobald eine neue Macht im Besitz der Gewalt
und dadurch im Recht ist, und streuten den Weihrauch und priesen die neue Welt als die beste aller Welten.
Und da man während der Revolution, wie es die »tugendhaften« Lehren eines Rousseau vorschrieben, äußerlich sehr einfach, sehr sparsam und sehr »tugendhaft« gelebt hatte, so brach jetzt die lange
künstlich zurückgehaltene Genußsucht mit aller Gewalt hervor und überschritt alle Schranken. Man praßte und schwelgte und fröhnte exzentrisch der Liebe, wie es das »ancien regime« unter Ludwig XV, dem Vielgeliebten, und der Hof von Versailles kaum toller getrieben hatten. Die Masse aber war wieder in's alte Joch gespannt, ihre Söhne schlugen mit Begeisterung in aller Herren Länder die Schlachten und der freie Bauer und Bürger des beginnenden 19. Jahrhunderts sorgten neben der Blut- für die Geldsteuer, welche die neue bürgerlich-zäsarische Herrlichkeit unter dem »glorreichen« Szepter Napoleon's I. ihnen auferlegte.

* * * * *
So weit Bebel zu den Rahmenbedingungen, in denen Charles Fourier lebte.
Unsere Vorrede ist etwas lang geworden, aber sie war nicht überflüssig zum Verständniß der Aussprüche und Theorien des Mannes, dessen Leben und Lehren diese Abhandlung gewidmet ist. Das Streben und der Ideengang eines Menschen von Bedeutung wird ja nur dann verständlich, wenn man die Zeitverhältnisse kennt, unter denen er geboren, und die auf seine Entwicklung, also auch auf seinen Ideengang eingewirkt haben. Wie weit ein Mensch auch über seine Zeit hinaus denken mag, loszulösen von ihr vermag er sich nicht, er wird von ihr beeinflußt und beherrscht, und so werden seine weitgehendsten Gedanken stets den Stempel des Zeitalters tragen, in dem er lebte und wirkte. Das ist schon oft gesagt worden, es kann aber nicht oft genug wiederholt werden, weil jeden Tag noch in der Beurtheilung des Wirkens von Persönlichkeiten gegen diese Auffassung gesündigt wird.

Samstag, 19. Januar 2008

Liebe und Arbeit bei Charles Fourier

Vorwort

Ich habe den vorliegenden Text in seinen großen Zügen bereits 2004 erstellt, und zwar für die Herbst - Veranstaltung einer lockeren Gruppe, die sich mit dem Projekt einer Gemeinschaftsgründung beschäftigte (aus dem dann doch nichts wurde). Die Einarbeitung in die Gedankenwelt Charles Fouriers stellte für mich persönlich allerdings einen der wichtigsten Wendepunkte meines Lebens dar. Der Text erschien 2004 in der Printausgabe der Nemetischen Heimatzeitung.



Einleitung

Aus der „Ode an Charles Fourier“ von Andre Breton

Fourier
hell hebt sich ab
vom trüben Grau des heutigen Denkens und Trachtens
dein Licht

Es klärt den Durst nach einem besseren Dasein
und birgt ihn vor allem was seiner Reinheit schaden könnte
auch wenn ich's (was der Fall ist) für erwiesen hielte
daß die Verbesserung des menschlichen Schicksals
nur sehr langsam und in Schüben sich vollzieht
um den Preis von platten Forderungen und kalten Kalkulationen
so bleibt doch ihr wahrer Hebel
die Kraft des aberwitzigen Glaubens
an den Aufbruch in eine paradiesische Zukunft

und letztlich ist sie auch die einzige Hefe der Generationen

deine Jugend


1. Leben und Werk Charles Fouriers


1.1. Der Kritiker der "Zivilisation"


Der utopische Sozialist Fourier (1772 - 1837) übte massive Kritik an der damaligen bürgerlichen Gesellschaft, die mit dem "Überfluß auch die Armut schafft". Diese scheinbar widersprüchliche These erschien damals als ein Novum, heute dagegen erscheint sie uns fast als vertraut, wenn wir unsere reale Welt betrachten.
Charles Fourier nannte die Gesellschafts- oder Geschichtsepoche, in der er lebte "Zivilisation". Das war nicht unbedingt seine Erfindung. Die europäischen Länder faßten sich ja damals durchaus alle als "zivilisierte" Länder auf im Vergleich zu den "barbarischen Regionen" in Afrika, Amerika, Asien, Ozeanien.
Doch Fourier war weit davon entfernt, die "Zivilisation" zu glorifizieren, er war vielmehr ihr erbitterter Kritiker. Die Einrichtungen der „Zivilisation“ verhindern nämlich nach seiner Meinung, daß der Mensch seine natürlichen positiven Möglichkeiten zu entfalten vermag. Die "Zivilisation" war für ihn nicht "das Ende der Geschichte", sondern ein unzureichendes und verachtenswertes Zwischenstadium in der menschlichen Geschichte. Das war zu seiner Zeit durchaus neu. Er wurde so zum Begründer der sozialistischen Lehre des Fourierismus.
Ein Auftrag, im Interesse einer Preisspekulation heimlich eine Reislandung ins Meer werfen zu lassen, soll ihn auf sozialistische Ideen gebracht haben.
Als Handelsmakler in Lyon veröffentlicht er ab 1803 z.T. anonym sein umfangreiches Schriftgut, in welchem er sein sozialistisches System begründet.
Dies enthält aus heutiger Sicht einige skurrile Züge, die sich aus seiner Zeit erklären lassen, wo nämlich gerade Newton mit seiner Bewegungstheorie Fourore machte.
Fourier vertrat, dass eine natürliche gesellschaftliche Ordnung existiere, welche den Newton'schen Gesetzen entspreche. Sowohl die physikalische Welt wie auch die Gesellschaft in ihrer historischen Evolution entwickle sich in acht aufsteigenden Stufen.
In der Harmonie erst, der höchsten Stufe, sei der Mensch dazu in der Lage, seine Emotionen frei auszudrücken. Die "Zivilisation" war für Fourier erst Stufe 5.
Diese Stufe könne erreicht werden, indem man die Gesellschaft in "Phalangen" aufteile. Dabei ist eine Phalanx eine landwirtschaftlich- industrielle Kommune, in der sich die Mitglieder in der Ausübung verschiedenen Tätigkeiten beständig abwechseln.
Ein Phalansterium ist nicht nur eine Arbeits-, sondern auch eine Liebesgemeinschaft. In Ihr Leben bis zu 1700 Menschen in einer Großgemeinschaft zusammen, die - so seine Vorstellung - ein Sansoussi-ähnliches Schloßgelände bewohnt.

1.2. Die Utopie von der Harmonie


Durch die Bildung von großen Kommunen (Phalangen), in denen die Menschen entsprechend ihrer Charakterstruktur, und ihrer Leidenschaften zusammen leben und in Produktionsgenossenschaften die Arbeit organisieren, werden alle Übel der „Zivilisation“ überwunden.
Zwei wesentliche Faktoren werden die Harmonie grundsätzlich von der "Zivilisation" unterscheiden:
Die Arbeit wird zum Vergnügen werden.
Freie Liebe wird die Regel sein.

1.3. Lebensdaten

• 7.4.1771 geboren in Besancon als Sohn eines Tuchhändlers
• 1772-1791 Gymnasium; wird Lehrling bei Kaufleuten in Lyon und Rouen
• 1791 Übersiedlung nach Lyon; Revolution; Konfrontation mit den Seidenarbeitern
• 1793 Verwicklung in den Bürgerkrieg Föderierte – Konvent; Beerbung des Vaters
• 1794 Militärdienst als Kürassier am Rhein, dann Entlassung aus dem Militär; Verlust seines gesamten Vermögens
• 1799 Als Kaufmannsgehilfe in Marseille Beginn der Arbeiten an „der Berechnung der sozialen und erotischen Anziehung“. Geht nach Paris, um exakten Wissenschaften zu studieren.
• 1800. Geldmangel. Zurück nach Lyon, lebt als Makler ohne Lizenz. Die Zensur lehnt sein Zeitungsprojekt ab.
• 1803-1804 erstmals Erwähnung der „universellen Harmonie“in einer Artikelserie
• 1808 Veröffentlichung „Theorie der vier Bewegungen“ (anonym)
• 1815 Bürovorsteher in der Lyoner Präfektur.
• 1816 Beginn der Beziehung zu Just Muiron (frühester Schüler)
• 1819 Vollendung „Grand traite“ ( 8 Bände)
• 1821 Erscheinen der „Abhandlung über häusliche und landwirtschaftliche Assoziation“, gekürzt um die erotischen Passagen.
• 1824 -1829 Schreibt an Robert Owen, um ihn zu gewinnnen. Lebt als kleiner Angestellter. Veröffentlicht „Die neue Industrie- und Geschäftswelt“. Wartet auf einen Sponsor für sein erstes Phalansterium.
• 1830 – 1832 Auseinandersetzungen mit den Saint-Simonisten und Owenisten, denen er vorwirft, sie wollten die Natur des Menschen verändern.
• 1833-1836 Fourier wird gefeiert, zerstreitet sich allerdings mit seinen Schülern.
• 1837 Fourier stirbt und wird auf dem Montmatre begraben.

1.4. Würdigung Charles Fouriers

Schon zu seiner Zeit sprach man davon, daß Fourier ein “legendäres und geheimnisumwobenes Leben“ führte. Die Wirkung seiner umfangreichen Schriften aber entfaltete sich erst nach seinem Tod. Auf ihn stützten u.a. Marx und Engels ihre Vorstellung vom Kommunismus, was zum Beispiel wenig bekannt ist, obwohl es nach den Quellen auf der Hand liegt.
Fourier heiratete nie, hatte keine längeren sexuellen Beziehungen, aber eine spezielle Neigung zu Lesbierinnen ließ er in wenigen Äußerungen erkennen. Tatsächlich war er der Vordenker einer sexuellen Revolution, neben dem Freud, Reich und Kinsey fast schüchtern wirken.

2. Grundgedanken Fouriers

2.1. Die Vision von einer Harmonie in Freiwilligkeit

Fourier gilt als sogenannter "utopischer Sozialist". Von einem "utopischen Sozialisten erwartet man gemeinhin, daß er sich irgendwelche idealen Vorstellungen von einer idealen Zwangsgemeinschaft machen würde.
Weit gefehlt bei Fourier. Fourier ist Gegner jeder erzwungenen Vereinheitlichung. Er ist radikaler Anhänger der Freiwilligkeit. Seine Vorstellungen von der Harmonie sind weit weg von der Monokultur vieler anderer sozial-revolutionärer Modelle seiner Zeit, etwa von Louis Cabet oder Saint-Simon.
„In der Harmonie ist alles frei“ so seine These – die Zukunft basiert auf der Freiwilligkeit. Mit dieser Auffassung unterschied sich Fourier grundlegend von allen frühkommunistischen und frühsozialistischen Schulen seiner Zeit.

2.2. Anziehung und Leidenschaften

Glücklich ist der von Leidenschaften bewegte Mensch
Fourier lehnt radikal jede Reglementierung ab, und zwar radikaler als es sich jeder "Liberale" oder sogar "Libertäre" vorstellen könnte. Gesellschaftliche Harmonie entsteht nicht durch Unterdrückung von (ökonomischen, nach Herrschaft strebenden, sexuellen usw.) Trieben, sondern durch das Ausleben der verschiedenen, in jedem Individuum anders konzentrierten, das Talent, die geistigen Fähigkeiten, das emotionale Leben usw. betreffenden Anziehungs- oder Assoziationskräfte.
Fourier sieht den glücklichen Menschen als ein durch Leidenschaften bewegtes und gesteuertes Wesen.
Fourier glaubt, dass die Leidenschaften durch "gegenlaufende" Leidenschaften zu sozialen Triebfedern in einem harmonischen, dem»Aufflug«(essort) des Menschen förderlichen Ganzen integriert werden können (Einheit der Leidenschaften).


Gegengewichte und Gegenläufer
Jeder Leidenschaft kann eine sie gegenlaufende und damit sie zurücknehmende entgegengesetzt werden. Wird ein solcher Ausgleich nicht unternommen, sondern wird versucht, Leidenschaften zu unterdrücken, so bildet nach Fourier die Leidenschaft selbst ihre nicht mehr zu kontrollierenden Gegenläufer.

"Die Angelegenheiten der Liebe und der Feinschmeckerei finden in der Zivilisation nicht allzuviel Beachtung, weil man nicht weiß, welche Bedeutung Gott unseren Vergnügen zumisst. Die Wollust ist das einzige Mittel, durch das Gott uns beherrschen und zur Erfüllung seines Wollens bringen kann. Durch Anziehungskraft und nicht durch Zwang regiert er die Welt. Die Genüsse seiner menschlichen Geschöpfe sind das wichtigste Moment göttlichen Planens“.

2.3. Verfechter der Rechte der Frau

Fourier gilt als "erster Feminist" der Geschichte, wenn er schreibt: "Die Harmonie entsteht nicht, wenn wir die Dummheit begehen, die Frauen auf Küche und Kochtopf zu beschränken. Die Natur hat beide Geschlechter gleichermaßen mit der Fähigkeit zu Wissenschaft und Kunst ausgestattet."
Er ist offensichtlich empört, wenn er formuliert: „Kann man nur einen Schimmer von Gerechtigkeit in dem Los erblicken, das den Frauen beschieden ist?“
Und ein oft zitierter Satz von ihm lautet: „Allgemein läßt sich die These aufstellen: der soziale Fortschritt vollzieht sich entsprechend den Fortschritten in der Befreiung der Frau“.

2.4. Gegen die Kleinfamilien - Ehe

Radikaler als es je die "68er Bewegung" tat, lehnte Fourier die Kleinfamilie ab:„Das heutige System, das den Zusammenschluß der Menschen infolge der Isolierung der Haushalte auf ein Minimum beschränkt, hat die Menschheit auf den Gipfel der Verderbtheit geführt“
Er verwendet dabei drastische Worte:„Die Zivilisation bewirkt, daß der Mensch in ewigem Kriegszustand mit seinesgleichen lebt und jede Familie der geheime Feind aller anderen Familien ist“. Und vernichtend sein Urteil über die Liebe in der "Zivilisation": In der Zivilisation kann die Liebe (… ) keinen freien Aufflug nehmen, denn sie ist in der Ehe gefangen“.


2.5. Wichtige Grundbegriffe in Fouriers Werk

Fourier erfindet in seinem Schrifttum zum Teil neue Begriffe oder definiert bekannte Begriffe auf eigenwillige Weise neu, um sich zum Ausdruck bringen zu können. Daher ein kurzes Glossar seiner „Kennworte“.

Anziehung „attraction“
Zwischen Leidenschaften und der Arbeit der Menschen wirken berechenbare Anziehungskräfte (analog Newtons physikalischen Anziehungskräften). Diese "attraction" ist essentiell für das gesellschaftliche Leben und die Entfaltung des Individuums. Der Mensch kann nur kraft vielfacher Beziehungen seine Bestimmung finden. Als Einzelner ist er hingegen nicht in der Lage, sich zu entfalten.
Von daher gibt es bei Fourier auch keine Polarität und schon gar keinen Gegensatz zwischen Individuum und Gemeinschaft (Kollektiv).

Aufflug „essort“
Das ist die Entwicklung bzw Entfaltung einer Leidenschaft. Jede Leidenschaft hat eine Triebfeder (ressort), der Raum gegeben werden muß, damit sie „auffliegen“ kann.

Celadonische versus materielle Liebe
Celadonische Liebe ist Fouriers Begriff für „spirituelle, romantische Liebe“, nach dem Helden Celadon des Schäferromans Astee. Materielle Liebe ist der "platte" Sex. In der Zivilisation wird die celadonische Liebe scheinbar hochgehalten, in Wirklichkeit aber heimlich verachtet.
Der Gegenbegriff zur celadonischen Liebe ist die „materiellen Liebe“ (=Kopulation).
In der Harmonie erst ist die celadonische Liebe gleichberechtigt mit der materiellen Liebe.

Drehpunkt (pivot)
Dieser Begriff bezeichnet bei Fourier das wichtigste Element eines Systems. So ist die Sonne der Drehpunkt im Sonnensystem, die Familie in der Zivilisation, das Phalansterium in der Harmonie, der Unitismus ist die Drehpunktleidenschaft, es gibt Drehpunktliebe bei Polygamen, etc. Der Begriff ist den Newtonschen Bewegungsgesetzen entlehnt.

Hebel (levier)
Von Fourier gern gebrauchter Begriff, um die Methode zu bezeichnen, ein Vorhaben zur Entfaltung zu bringen.
Insbesondere für die „anziehende Arbeit“ ist ein System von Hebeln zu verwirklichen, die in „zum Aufflug gebrachten“ Leidenschaften bestehen. Anders ausgedrückt: durch "Anreize" ("Hebel", Leidenschaften) erst entwickelt sich anziehende Arbeit (das ist: Arbeit, die man gern macht und machen will)

Serie
Eine Serie ist nach Fourier eine Organisationsform, die auch in der Natur anzutreffen ist. Sie ist nach Fourier die natürliche Organisationsform des Menschen. Eine Serie ist einfach: Menschen gleicher Leidenschaften schließen sich zusammen. Es handelt sich immer um eine sorgfältig zusammengestellte Einheit von Gruppen unterschiedlichen Alters, Besitzes, Intelligenz, die eine mehr oder weniger starke gemeinsame Neigung für eine bestimmte Leidenschaft haben.

Gott (dieu)
Fourier ist kein Atheist, sondern Pantheist. In diesem Sinne verwendet er sehr häufig das Wort Gott. Entgegen christlichem Verständnis ist sein Gott aber kein Gott der Moral, sondern ein sozialer, triebbejahender Gott und Schöpfer des sozialen Codes. Heute würde man sagen: Gott ist für ihn der Geist des Universums.
Wie für viele christliche Ketzer ist für Fourier die sexuelle Vereinigung sogar ein von Gott gewollter Weg zur Vollendung des Menschen (das Heilige ist unauflöslich mit dem Erotischen verbunden). Die religiösen Kulte müssen die Liebe zu Gott mit der Liebe zu den Vergnügungen verbinden schreibt er zum Entsetzen seiner Zeitgenossen (Kultus der wollüstigen Leidenschaften).

Illusion (illusion)
Bei Fourier ist Illusion ein positiver Begriff. Es handelt sich um die „Phantasie der Sinne“, der neben den rein sinnlichen Wünschen Raum zur Entfaltung gegeben werden muß. Man könnte auch Tagträumen, Visionieren dazu sagen, was alles für Fourier "Leidenschaften des Geistes" sind und damit unbedingt gute Dinge. Illusionen sind für Fourier keine Ersatzlust, sondern originäres Bedürfnis des Menschen.

Keime (germes)
Mit diesem Begriff bezeichnet Fourier in unserer Zeit bereits vorhandene Gewohnheiten und Leidenschaften, die entwicklungsfähig sind in Richtung Harmonie. Die Zukunft liegt im heute schon als Keim vor.
So ist zum Beispiel die häufige Überschreitung des Monogamie – Gebotes (Ehebruch, serielle Monogamie) für ihn ein Hinweis darauf, daß der Mensch der Abwechselung in der Liebe bedürfe und dieser Leidenschaft auch nachgehen solle.

Luxus (luxe)
In der Harmonie für Fourier ein ausnahmslos positiver Begriff. Luxus wird bewirkt durch die Befriedigung der fünf sensitiven Leidenschaften; gleichbedeutend mit Wohlbehagen und Gesundheit.
„Während der Luxus in der Zivilisation dazu dient, den Ärmeren zu verdrießen, wirkt er in der Harmonie stimulierend“.
Luxus ist bei Fourier übrigens stets dem Kollektiv zugeordnet, niemals dem Individuum. Aus verschiedenen Gründen hält er es für völlig abwegig, daß jemand praßt, während ein anderer neben ihm hungert. Im Luxus gepraßt wird in der Harmonie nach seiner Prognose gemeinsam.

Phalansterium (phalanstere)
Die aus rund 1620 Personen bestehende Phalanx ist für Fourier die Basiseinheit der Harmonie, ein Drehpunkt des sozialen Mechanismus. Es handelt sich um Groß-Gemeinschaften, die sowohl Landwirtschaft als auch Manufakturproduktion betreiben.
Dazu muß man sagen, daß Fourier seine Werke vor der industriellen Revolution in Frankreich schrieb und sich etwas anderes als Landwirtschaft und Manufaktur noch nicht vorstellen konnte (es sei ihm verziehen, dem genialen Propheten).
Eine Phalanx besteht aus einer nicht festgelegten Anzahl von Serien, die ihrerseits wieder aus Neigungsgruppen bestehen.

Pfropfen (greffer)
Bezeichnet die Kunst, Leidenschaften durch „Gegengewichte“ ins Gleichgewicht zu bringen. Er übernimmt dieses Bild aus der Landwirtschaft. Er meint so etwas wie "ausbalancieren" damit.

Liebeshof (court d‘amour)
Die Liebe in der Harmonie ist – auf Grundlage der Freiwilligkeit – institutionalisiert und eine öffentliche Angelegenheit. Das könnte man wirklich mit heutigen Swingerclubs, Seitensprung - Agenturen und Partnervermittlungen vergleichen. Genau so und das alles auf einmal.
Die Menschen sind Mitglied in sogenannten Liebesklassen, die ihren jeweiligen Neigungen entsprechen (mono/polygam, homo/bi/heterosexuell, voyeuristisch/exhibitionistisch, dominant/submissiv, usw usf).
Der Liebeshof registriert jeden Wechsel in den Beziehungen oder von Liebesklasse zu Liebesklasse und wird von einer Hohepriesterin geleitet. Ein Wechsel in eine andere Liebesklasse ist jederzeit möglich. Der Liebeshof hat also die zentrale Aufgabe, daß jeder schnell Gleichgesinnte findet, für was auch immer.

Zusammengesetzt (combine oder compose)
Wichtiger Begriff bei Fourier, bedeutet sowohl „Gegensätze in sich bergend“ als auch „kombiniert“.
Das Zusammengesetzte ist für ihn stets dem Einfachen überlegen.
Die Harmonie nennt Fourier auch „zusammengesetzte Ordnung“ im Unterschied zur „zusammenhanglosen“ Zivilisation.

Zerstückelte Arbeit (travail morcele)
„Die Zerstückelung der Arbeit ist eines der Hauptlaster der Zivilisation“, deshalb auch die Konzentration auf einen einzigen Beruf.
Das daraus resultierende Streben nach individueller Bereicherung und Abkapselung ist für ihn das Erzübel. Er spricht auch vom „zerstückelten Haushalt“ im Falle der Kleinfamilie.

Leidenschaft (passion)
Nach Fourier läßt sich die Bestimmung des Menschen in seine Leidenschaften auflösen, die wiederum Anziehungskräfte zwischen Menschen bewirken.
Alle Leidenschaften haben Triebfedern. Leidenschaften ersetzen in der Harmonie den Zwang durch Not oder Gewalt. Diese Leidenschaften verzweigen sich baumartig, ausgehend von drei Ästen, sich „in eine Fülle von Nuancen verzweigend“. Entsprechend entwirft er eine Art Systematik der Leidenschaften, die nach seinem Bemühen vollständig sein sollte, es aber aus naheliegenden Gründen nicht ist.


2.6. Fouriers System der Leidenschaften

Die 12 + 1 Leidenschaften
Fourier entwickelte ein ausgefeiltes System von Leidenschaften, das aus heutiger Sicht überholt und unzureichend erscheinen mag, aber in sich schlüssig ist. Man könnte sagen, jeder Stein an deinem Gebäude mag wackeln, aber insgesamt ist es ein Monument.
Sein Grundgedanke war, die Leidenschaften und ihre Antriebe grundsätzlich anzunehmen und zu einer Einheit zu bringen durch ihren jeweiligen „Aufflug“. Kein Bedürfnis sei in seiner Triebfeder schlecht. Er schreibt: "12 primäre Leidenschaften, die unterteilt sind in fünf sensitive: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen - vier affektive: Freundschaft, Liebe, Ehrgeiz, Familiensinn - und drei distributive: Intrigentrieb, Abwechslungstrieb und Einungstrieb. Ferner existieren sekundäre Leidenschaften, tertiäre und quartiäre - insgesamt 810."

Das sieht dann ungefähr so aus:

Luxurismus: die 5 Sinne
1. Sehen
2. Hören
3. Berühren
4. Schmecken
5. Riechen

Gruppismus:
6. Familiensinn
7. Ehrgeiz
8. Freundschaft
9. Liebe

Seriismus:
10. Flatterlust (papillone)
11. Streitlust (Wettbewerb usw.)
12. Übereinstimmungs-Lust (auch: Begeisterung)

Die Krönung aller Leidenschaften aber ist für ihn die dreizehnte.

Unitismus
Die „13. Leidenschaft“ nach Fourier ist die Drehpunkt – Leidenschaft (Pivotale) seines ganzen Systems. Sie ist die entscheidende Gegenleidenschaft zum Egoismus
Er definiert sie als Neigung des Individuums, sein Glück mit dem Glück aller anderen in Einklang zu bringen, oder aber: die Leidenschaft, das eigene Glück mit dem Glück der anderen zu vereinen.
Die Verwirklichung des Unitismus bedeutet für ihn den „kollektiven Aufflug aller Leidenschaften“. Deswegen ist der Unitismus für ihn auch der Dreh- und Angelpunkt der Harmonie.


2.7. Geschichtsepochen nach Fourier
Wer meint, daß Karl Marx erst ein Modell von Geschichtsepochen entworfen hätte (Wildheit - Barbarei - Antike - Feudalismus - Kapitalismus - Sozialismus - Kommunismus), der irrt.
Karl Marx übernahm und übersetzte sein Entwicklungsmodell von Fourier (übrigens auch eingestandenerweise, es war kein "Ideenklau" )

Hier Fouriers Modell:
1. Ungeordnete Serien
2. Wildheit
3. Patriarchat
4. Barbarei
5. Zivilisation (Fouriers HEUTE)
6. Garantismus (genossenschaftliche Ordnung)
7. Unvollständige Serien (Anbruch des Glücks)
8. Harmonie

3. Die Wirkungsgeschichte Charles Fouriers
Zwischen 1808 und 1837 warf dieser geniale Einzelgänger zumindest gedanklich alle Moralbegriffe über den Haufen, die zu seiner Zeit galten, und entwarf die Grundzüge einer umfassenden gesellschaftlichen und sexuellen Revolution. Er wurde dafür nicht nur vom etablierten System, sondern sogar von anderen Frühsozialisten erbittert angegriffen.
Gleichwohl fand er begeisterte Anhänger. Er ist übrigens auch der Schöpfer von heute wohlbekannten Begriffen wie „Feminismus“ und „Freie Liebe“.


3.1. Erbitterte Feindschaften
Der „Anarchist“ Proudhon klagte Fourier geradezu wütend wegen „Unmoral“ an („Ihr seid Päderasten“ ) und forderte das Verbot der „phalanstrischen Schule“. Das hatte damit zu tun, daß Fourier natürlich auch entdeckt hatte, daß die antike griechische Kultur sowohl rituelle Homosexualität als auch Päderastie zwischen erwachsenen Männern und heranwachsenden jungen Männern als zentrale Kulturmerkmale aufwies, wogegen sich das heutige offizielle Griechenland mit Händen und Füssen wehrt (Drohung einer Strafanzeige gegen den Film "Alexander" ). Fourier war selbst keineswegs schwul. Gerade die Toleranz, die Fourier der Homosexualität entgegenbrachte, wobei er seinerseits lesbischen Frauen sehr zugetan war und wohl nicht homosexuell war, brachte den spießigen Theoretiker des Anarchismus auf die Palme. Die autoritären "Frühkommunisten" Cabet und Leroux griffen auch Fourier geradezu wütend an. Der christliche Kommunist Leroux beschuldigte ihn gar der „Gotteslästerung“.
Fourier wehrte sich noch zu Lebzeiten gegen die „Heuchler und Hochstapler der Moral und der Religion“, doch in diesen Fragen war er einfach seiner Zeit zu weit voraus.

Ganz anders ein gewisser Friedrich Engels über Fourier:

„Ich will diesen weisen Herren ein kleines Kapitel von Fourier vorhalten, woran sie sich ein Exempel nehmen können. Es ist wahr, Fourier ist nicht aus der Hegelschen Theorie hervorgegangen und hat deshalb leider nicht zur Erkenntnis der absoluten Wahrheit, nicht einmal zum absoluten Sozialismus kommen können; es ist wahr, Fourier hat sich durch diesen Mangel leider verleiten lassen, die Methode der Serien an die Stelle der absoluten Methode zu setzen, und dadurch ist er dahin gekommen, die Verwandlung des Meeres in Limonade, die couronnes boréale und australe , den Anti-Löwen und die Begattung der Planeten zu konstruieren, aber wenn es so sein muß, will ich doch lieber mit dem heitern Fourier an alle diese Geschichten glauben, als an das absolute Geisterreich, wo es gar keine Limonade gibt, an die Identität von Sein und Nichts und die Begattung der ewigen Kategorien. Der französische Unsinn ist wenigstens lustig, wo der deutsche Unsinn morose und tiefsinnig ist. Und dann hat Fourier die bestehenden sozialen Verhältnisse mit einer solchen Scharfe, einem solchen Witz und Humor kritisiert, daß man ihm seine auch auf einer genialen Weltanschauung beruhenden, kosmologischen Phantasien gerne verzeiht.“

Geradezu beklemmend aktuell sind Engels folgende Sätze in der gleichen Schrift: „Wenn sich unsere deutschen halb und ganz kommunistischen Dozenten nur die Mühe gegeben hätten, die Hauptsachen von Fourier, die sie doch so leicht haben konnten wie irgendein deutsches Buch, etwas anzusehen, welch eine Fundgrube von Material zum Konstruieren und sonstigen Gebrauch würden sie da entdeckt haben! Welche Masse von neuen Ideen - auch heute noch neu für Deutschland - hätte sich ihnen da dargeboten!
Die guten Leute wissen bis auf die heutige Stunde der jetzigen Gesellschaft gar nichts vorzuwerfen als die Lage des Proletariats, und auch davon wissen sie nicht über die Maßen viel zu sagen. Allerdings ist die Lage des Proletariats der Hauptpunkt, aber ist damit die Kritik der heutigen Gesellschaft abgemacht? Fourier, der außer in späteren Schriften diesen Punkt kaum berührt, liefert den Beweis, wie man auch ohne ihn die bestehende Gesellschaft als durchaus verwerflich anerkennen, wie man allein durch die Kritik der Bourgeoisie, und zwar der Bourgeoisie in ihren inneren Beziehungen, abgesehen von ihrer Stellung zum Proletariat, zur Notwendigkeit einer sozialen Reorganisation kommen kann. Für diese Seite der Kritik ist Fourier bis jetzt einzig.
Fourier deckt die Heuchelei der respektablen Gesellschaft, den Widerspruch zwischen ihrer Theorie und ihrer Praxis, die Langeweile ihrer ganzen Existenzweise unerbittlich auf; er verspottet ihre Philosophie, ihr Streben nach der perfection de la perfectibilité perfectibilisante und der auguste vérité , ihre "reine Moral", ihre einförmigen sozialen Institutionen, und hält dagegen ihre Praxis, den doux commerce , den er meisterhaft kritisiert, ihre liederlichen Genüsse, die keine Genüsse sind, ihre Organisation der Hahnreischaft in der Ehe, ihre allgemeine Konfusion. Alles das sind Seiten der bestehenden Gesellschaft, von denen in Deutschland noch gar nicht die Rede gewesen ist. Freilich, man hat hier und da von der Freiheit der Liebe, von der Stellung, der Emanzipation des Weibes gesprochen: aber was hat man zustande gebracht?“


Engels über Fouriers Thesen zur Arbeit

Ganz wesentlich war für Engels Fouriers Konzept der anziehenden Arbeit: „Fourier weist nach, daß jeder mit der Neigung für irgendeine Art von Arbeit geboren wird, (… ) daß das Wesen des menschlichen Geistes darin besteht, selber tätig zu sein (… ), und daß daher keine Notwendigkeit besteht, Menschen zur Tätigkeit zu zwingen, wie im gegenwärtig bestehenden Gesellschaftszustand, sondern nur die, ihren natürlichen Tätigkeitsdrang in die richtige Bahn zu lenken.Er (… ) zeigt die Vernunftwidrigkeit der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung, die beide voneinander trennt, aus der Arbeit eine Plackerei und das Vergnügen für die Mehrheit der Arbeiter unerreichbar macht; weiter zeigt er, wie (….) die Arbeit zu dem gemacht werden kann, was sie eigentlich sein soll, nämlich zu einem Vergnügen,wobei jeder seinen eigenen Neigungen folgen darf. (… )“

Wer unter den Lesern "Marxismus" und "Kommunismus" gewohnheitsmäßig mit Arbeitszwang und Arbeitslager assoziiert, mag hier an dieser Stelle staunen. Nein, es ist wirklich wahr, DAS war Engels Vorstellung vom Kommunismus, sie war identisch mit Fouriers Vorstellung von der Harmonie.

Auch Marx stützt sich auf Fourier

Auch bei Marx finden sich immer wieder - oft eher indirekte - Hinweise auf Fouriers Theorie der freien (anziehenden) Arbeit, z.B. hier:
„Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann (… ) - während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden“. (aus „Die deutsche Ideologie“ ). Ohne jeden Zweifel liegt das Konzept von der anziehenden Arbeit solchen Sätzen zugrunde.
Das ist der Fourier - Schüler Marx, der hier spricht.

Marx und Engels als „Fourieristen“?
Keineswegs ist speziell Friedrich Engels geradezu ehrfürchtige Verehrung Fouriers eine „Jugendsünde“, wie mir „Marxkenner“ schon weismachen wollten.
Es ist einfach so: sowohl Marx als auch Engels waren - im Unterschied zu ihrer ganzen Zeit - glühende Verehrer Charles Fouriers.

Gerade in seinem Spätwerk „Anti-Dührung“ erhebt Engels Fourier geradezu zum Meister:
„Fourier ist nicht nur Kritiker, seine ewig heitere Natur macht ihn zum Satiriker, und zwar zu einem der größten Satiriker aller Zeiten. Die mit dem Niedergang der Revolution emporblühende Schwindelspekulation ebenso wie die allgemeine Krämerhaftigkeit des damaligen französischen Handels schildert er ebenso meisterhaft wie ergötzlich. Noch meisterhafter ist seine Kritik der bürgerlichen Gestaltung der Geschlechtsverhältnisse und der Stellung des Weibes in der bürgerlichen Gesellschaft. Er spricht es zuerst aus, daß in einer gegebnen Gesellschaft der Grad der weiblichen Emanzipation das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation ist. Am großartigsten aber erscheint Fourier in seiner Auffassung der Geschichte der Gesellschaft. Er teilt ihren ganzen bisherigen Verlauf in vier Entwicklungsstufen: Wildheit, Patriarchat, Barbarei, Zivilisation, welch letztere mit der jetzt sogenannten bürgerlichen Gesellschaft zusammenfällt, und weist nach (… ), daß die Zivilisation sich in einem »fehlerhaften Kreislauf« bewegt, in Widersprüchen, die sie stets neu erzeugt, ohne sie überwinden zu können, so daß sie stets das Gegenteil erreicht von dem, was sie erlangen will oder erlangen zu wollen vorgibt. So daß z.B.»in der Zivilisation die Armut aus dem Überfluß selbst entspringt«. Fourier, wie man sieht, handhabt die Dialektik mit derselben Meisterschaft wie sein Zeitgenosse Hegel. Mit gleicher Dialektik hebt er hervor, gegenüber dem Gerede von der unbegrenzten menschlichen Vervollkommnungsfähigkeit, daß jede geschichtliche Phase ihren aufsteigenden, aber auch ihren absteigenden Ast hat, und wendet diese Anschauungsweise auch auf die Zukunft der gesamten Menschheit an.“

Es gibt zahlreiche weitere Textstellen, die belegen, wie tief Marx und Engels von den Fourierschen Vorstellungen von der Harmonie begeistert und geprägt waren. Engels sagt beispielsweise über Regierungsformen, daß „jede Regierungsform gleichermaßen anfechtbar ist, ob es sich nun um die Demokratie, die Aristokratie oder die Monarchie handelt, daß alle mit Gewalt regieren“, was auch ein Fourierscher Gedanke ist. Dieser Satz ist wird nämlich nur dann wirklich verständlich, wenn man weiß, daß Engels (mit Fourier) die auf Zwanglosigkeit und Freiwilligkeit basierende Harmonie (Kommunismus) als Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung sah.

Engels sagt über die sich entwickelnde Kommune – Bewegung seiner Zeit: „Alles Menschenmögliche wird getan, um die Freiheit des Individuums zu gewährleisten. Strafen sollen abgeschafft und durch Erziehung der Jugend und vernünftige geistige Einwirkung auf die Erwachsenen ersetzt werden“.

Waren Marx und Engels denn Fourieristen gewesen?

"Dogmatische" „Marxisten“ werden an dieser Stelle möglicherweise empört aufschreien. Sie mögen bei Marx und Engels noch einmal richtig nachlesen (ggogle macht es möglich, systematisch zu recherchieren), bitte schön. Nun, ich schließe denn mit einem Marx – Zitat: „Alles was ich weiß ist, daß ich kein Marxist bin“.
Sagte Marx.
Es lässt sich aber auch so formulieren: Marx und Engels machten dort weiter, wo Fourier endete. Der Hebel für die soziale Unwälzung, die letztlich zur Harmonie (Kommunismus) führt, ist (für M&E) die proletarische Revolution, d.h. die Bewegung derjenigen Klasse von Menschen, die nur ihre bloße Arbeitskraft verkaufen können. Damit gehen sie über Fourier hinaus, der sich über den Übergang keine konkreteren Gedanken machte.
Aus Fouriers Garantismus wurde der Sozialismus von M&E, aus der Harmonie der Kommunismus. "Jeder nach seinen Fahigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" ist die geniale Zusammenfassung der Fourierschen Gedanken durch M&E, prägnanter als er es selbst getan hatte.

Verrückterweise geriet aber Fourier nach und groteskerweise sogar durch den Aufstieg des "Marxismus" in Vergessenheit. Gewissermaßen war er unter "utopische Sozialisten" und "Vorläufer" von Marx/Engels abgehakt, das ging hin bis hin zu der Groteske, daß Stalin in seinen Schriften behauptete, Marx sei der "Feind der utopischen Sozialisten" und mithin auch Feind Fouriers gewesen. Dafür gibt es nicht nur den geringsten Beleg, sondern jede Menge Beweise für das Gegenteil.
(Stalin musste sein eigenes Zwangssystem rechtfertigen, deshalb setzte er diese Lüge in die Welt).
Ich habe mir übrigens für diesen Text 2004 tatsächlich die Mühe gemacht, alle über Google auffindbare Marx- oder Engels-Texte nach Erwähnung des Namens Fourier zu durchforsten und habe bis zum heutigen Tage keine einzige Textstelle bei Marx/Engels gefunden, wo diese sich feindlich, abfällig oder distanzierend über ihn geäußert hätten.
Im Gegenteil finden sich nur weitere Belege für ihren tiefen Respekt und ihre tiefe Verehrung des französischen Denkers und Visionär.
Doch die Schüler von Marx und Engels, die ihre Meister selbst oft genug sehr eigenwillig interpretierten, beschäftigten sich nicht mehr mit dem großen Utopisten. Nur noch August Bebel schrieb 1869 eine Monographie des großen Utopisten, dessen Visionskraft er bewunderte.
(Diese ist empfehlenswert, hier ist sie online).

Der Surrealist Andre Breton schrieb 1945 seine „Ode an Charles Fourier“, nachdem er das Werk des nur noch dem Namen nach bekannten großen Utopisten gelesen hatte und haltlos begeistert war.
Im Bereich des „offiziellen“ Marxismus allerdings wurde Fourier und seine Vision von der Harmonie vergessen und totgeschwiegen. Sogenannte „kommunistische“ Staaten, die sich auf Marx beriefen, waren als Zwangssysteme das glatte Gegenteil von Fouriers Harmonie, die ursprünglich das Leitbild von einer kommunistischen Zukunftsgesellschaft war. Es versteht sich von selbst, daß es auch keine nennenswerte Rezension Fouriers von „marxistischer“ Seite mehr gab und bis heute gibt (von einem heute vergriffenen Wagenbach-Buch abgesehen).
Das ist sehr schade, denn die Lektüre Charles Fouriers ist eine Lektüre der wirklichen Wurzeln des Marxismus.

4. Die Liebe in der Harmonie

Die Fourierschen Visionen von der Liebe in der Harmonie sind so kühn und so weitblickend, daß sie selbst unserer Zeit noch voraus sind.

4.1. Fouriers Grundauffassungen von der Liebe in der Harmonie

Fourier ist der erste abendländische Autor, der die Befreiung der Leidenschaften fordert und nicht ihre Unterdrückung:„Seit nunmehr dreitausend Jahren besudelt man die Erde mit den abgeschmacktesten Faseleien über die Leidenschaften. Wir müssen dem Übel ein Ende setzen, methodisch vorgehen in jedem Bereich, der das schmerzliche Rätsel der Leidenschaften berührt“.

Freiheit für alle Schattierungen der Liebe ist seine Losung: „Wenn wir in der Harmonie alle Schattierungen der Liebe erfaßt haben werden, wird diese bei uns so verachtete Triebfeder unzählige Quellen der Begeisterung erschließen“

Liebe (auch sexuelle Liebe) fügt zusammen, wo Feindschaft trennt:„Die Liebe ist die mächtigste Triebkraft der leidenschaftlichen Annäherung, selbst bei antipathischen Charakteren. Darum ist die Liebe diejenige Leidenschaft, die am geeignetesten ist, Beziehungen zwischen Menschen zu knüpfen“

Na, wenn das kein großer Utopist ist, der größte Utopist aller Zeiten! Die Liebe wird zur Hauptbeschäftigung:„In der Harmonie, wo niemand arm und für jedermann bis ins hohe Alter die Liebe zugänglich ist, widmet ein jeder dieser Leidenschaft einen bestimmten Teil des Tages; die Liebe wird zur Hauptbeschäftigung.“

Ich fasse zusammen, was Fourier unter Nutzung der Leidenschaften versteht:
• Nutzung der Leidenschaften ist der Schlüssel zur HARMONIE.
• Leidenschaften sollen entfaltet statt unterdrückt werden. Dazu muß man natürlich ihre Gesetze studieren, um sie sinnvoll miteinander in Einklang bringen zu können.
• Heraus kommen muß ein Gleichgewicht der Leidenschaften, das auf Regeln beruhen muß (ein geordnetes Zusammenspiel wie in einem Orchester).

Fouriers grundsätzlich Thesen zu den Leidenschaften sind nämlich
Alle Leidenschaften und Anziehungen sind nützlich.
„Jede Leidenschaft bringt ihr Gegenstück hervor, das ebenso schädlich ist, wie die natürliche Leidenschaft heilsam gewesen wäre“.
„(… ) der menschlichen Vernunft hätte es besser angestanden, jene unbezwingbaren Kräfte, die man Leidenschaften nennt, nicht zu kritisieren, sondern deren Gesetze zu studieren“.



Der Schlüssel zur Harmonie ist also die Nutzung der Leidenschaften unter Abwesenheit des Zwanges: „Diejenigen, welche die Leidenschaften verlästern (… ) haben Einrichtungen ersonnen einzig zu dem Zweck, die Leidenschaften der anderen einzudämmen und die ihrigen zu befriedigen. Gott hatte etwas anderes im Sinn. Alle seine Einrichtungen und Bräuche
(… ) zielen darauf hin, jeder einzelnen Leidenschaft einen besonderen und allen einen kollektiven Aufflug zu gewährleisten. Es ist sein Wille, daß sie vereint befriedigt werden, sobald jede einzelne befriedigt ist.“


Die Liebesordnungen der Harmonie
Die schon erwähnten Liebesordnungen der Harmonie offenbaren Fouriers prophetische Gabe: Hat er denn unser Internet-Zeitalter vorausahnen können? Es handelt sich gewissermaßen um Neigungsklassen, die jederzeit freiwillig gewechselt werden können. Einige Beispiele dazu (in der Reihenfolge wachsender sexueller Freiheit):
• Vestalen und Vestalinnen (keine körperliche Liebe)
• Damoiseaux, Damoiselles (monogame Treue)
• Odalisken (ab hier ansteigend polygam)
• Fakiressen
• ….
• Bacchanten und Bacchantinnen
• Bayaderen (reisende Priesterinnen und Priester der Lust)

Zugehörigkeit zu Liebesordnungen
„Jeder Mann und jede Frau werden völlig frei sein, nach eigenem Gutdünken zu handeln und ihren Geschmack zu wechseln, wann immer es ihnen gefällt; aber sie sind verpflichtet, sich der Gruppe anzuschließen, die ihre vorherrschende Leidenschaft pflegt“.
Ich verstehe diese "Verpflichtung", von der er spricht, auch nicht als "Meldezwang", sondern als Regulativ, um Gleichgesinnte effizient und nachhaltig zusammenzubringen.

Alles für das Vergnügen
Spaß und Vergnügen ist Zweck und Ziel von "dat janze":„Bei der Berechnung der Anziehung muß sich alles um das Vergnügen drehen, alles muß auf die Garantie der Vergnügungen zielen“
Und Orgien im ursprünglichsten Sinne des Wortes gehören natürlich auch dazu: „In der Harmonie, wo großer Überfluß und eine ungeheure Vielfalt von Vergnügungen herrscht und wo das harmonische Leben allgemeine Eintracht verlangt, muß der religiöse Kult die Liebe zu Gott mit der Liebe zur Lust verbinden, die keine Gefahren mehr bergen wird“

4.2. Polygamie und Monogamie
Fourier glaubt, daß die meisten Menschen eher polygam als monogam veranlagt sind, weswegen er sich Gedanken über die konstruktive Funktion der Polygamie macht: „Die Polygamie, bei den Zivilisierten und Barbaren ein Auswurf der Leidenschaft, wird in der Harmonie eine hochherzige Beziehung sein (….)“.
Wobei die Polygamie (und damit auch die Extremform der Promiskuität, d.h. dem anonymen Geschlechtsverkehr mit Unbekannten) für ihn keineswegs eine allgemeine Rivalität aller mit allen ist, sondern (wie bei den Bonobos) sozialer Kitt: „Mit gutem Grund darf ich verheißen, daß die Harmonie Keime der freiheitlichen Liebe hervorbringen wird, die in der entgegengesetzten Richtung wie unsere (heutigen) Bräuche und (….) eine hochherzige und heilige Trunkenheit, eine erhabene Wohllust bescheren wird, die unserem heutigen Egoismus weit überlegen ist“
Zu Fouriers Zeit spielte der Adel durchaus noch eine gewichtige Rolle. Für die Harmonie verheißt Fourier einen ganz anderen Adel, nämlich einen "galanten Adel", welcher sich seine Zugehörigkeit zu dieser Kategorie durch möglichst viele Liebesbeziehungen verdient: „Laster heißt vor dem Gesetz der Attraktion alles, was die Zahl der Beziehungen vermindert, Tugend alles, was sie vermehrt".
Und immer wieder gibt er die Moral seiner Zeit dabei der Lächerlichkeit preis: "Was ist ein Liebespaar nach der heutigen Methode? Ein Individuum zu zweit, welches das Glück für sich allein pachten will. Ein solches Paar ist dem Mann vergleichbar, der in seinem Keller die besten Weine der Welt lagert, aber sie stets alleine trinkt, ohne je einen Freund, Verwandten oder Nachbarn einzuladen."

Auch die Monogamie ist (natürlich!) erlaubt
Das soll nun nicht heißen, daß Fourier etwa eine Verpflichtung zur Polygamie fordert, wie manche Leser vermuten mögen. Nichts weniger als das.
„Jedem Paar steht es frei, den Ehebund einzugehen; er wird sogar begünstigt und gefestigt durch die Einführung von Ehe-Pausen, d.h. der Aufhebung der Treuepflicht für eine vereinbarte Zeitspanne, sofern diese Aufhebung in der Kanzlei des Liebeshofs registriert wird“.
Fourier ist auch keineswegs Gegner dauerhafter oder gar lebenslanger Liebesbeziehungen. Im Gegenteil. Nur soll nicht vorgetäuscht werden, was gar nicht existiert: „In der Harmonie wird es keine Fallstricke mehr geben. Die Paare erlangen die höheren Liebesgrade erst im Laufe der Zeit; anfangs haben sie keinen anderen Titel als den des Favoriten oder der Favoritin“.

Unbeständigkeit wird zur Tugend
Liebe und Sexualität als Konstruktionselemente einer solidarischen Gemeinschaft sind sein Dreh- und Angelpunkt: „Wir werden (….) zeigen, daß die unbeständige Liebe in der Harmonie die höchsten sozialen Tugenden hervorbringt“
Keine Angst, wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt, wenn nur die Freundschaft bleibt. Für Fourier hat die erotische Unbeständigkeit keinen Schrecken: „Die Unbeständigkeit birgt keine Gefahren mehr und ist nützlich, wenn sie freundschaftliche Beziehungen hinterläßt“
Keineswegs versteht Fourier das aber so, daß es etwa in der Harmonie einen Zwang zur Unbeständigkeit in der Liebe gäbe, alles basiert auf der Freiwilligkeit.
„Die offen geübte Unbeständigkeit hat nichts Lasterhaftes an sich, zumal dann nicht, wenn sie auf gegenseitigem Einverständnis beruht“.

Die „Drehpunktliebe“
Stabilität in der Liebe muß nach Fouriers Ansicht auch nicht erzwungen werden. Das ist völlig unnötig. Polygyne haben die „Eigenart, sich einen oder mehrere Drehpunkte in der Liebe zu schaffen, (… ) eine Neigung, die sich durch alle Stürme der Unbeständigkeit erhält“.
Erst aus der Unbeständigkeit heraus entsteht wirkliche und nicht vorgetäuschte Beständigkeit:„Bei dieser Liebe handelt es sich also um eine zusammengesetzte Beständigkeit, die sich mit den Unbeständigkeiten, den Treuebrüchen verträgt und darum den Titel einer transzendenten Treue verdient“.
Fast 200 Jahre vor unserer heutigen Polyamory – Bewegung ist Fourier nahe dran, den Begriff der „Treue“ neu zu definieren: „Die Drehpunktliebe ist wahrlich eine transzendente Treue, und umso erhabener, als sie die Eifersucht überwindet, welche die gewöhnliche Liebe verunstaltet“.

4.3. Die „Zwiespältigkeiten“

Weit entfernt von einer durch Zwänge und Verbote reglementierten Sexualität erwies sich Fourier als Kenner vielfältiger Spielarten der Sexualität. Er spricht dabei auch keineswegs von „Abirrungen“, wie es Siegmund Freud mehr als ein Menschenalter nach ihm als Wissenschaftler tat, denn es gibt in den Leidenschaften für ihn natürlich keine „Abirrungen“. Alles sind Leidenschaften. Auch sogenannte „Zwiespältigkeiten“ oder „Absonderlichkeiten“„in der Harmonie den Aufflug der sozialen Tugenden ungemein begünstigen“, sie sind „unendlich kostbar“, „für die Einheit des Systems der Bewegung wahrhaft unerläßlich“, „wie die Zapfen und Fugen in einem Gebälk“.
Nichts von diesen Leidenschaften ist für ihn "pfui, bäh":„Die Natur will in den Vergnügungen eine ungeheure Vielfalt“. werden

Homosexualität
Die Homosexualität bezeichnet Fourier als „unisexuell“.
Gegenüber der „Knabenliebe“, womit er freilich nicht Sexualität mit Kindern, sondern Homosexualität mit Jünglingen meint, verhehlt er seine „Nachsicht“ nur schlecht, weswegen ihn Cabet ja aufs übelste beschimpfte. Er weiß um die erwiesene Homosexualität bei antiken Autoren wie Lykurg, Sokrates, Platon, Cäsar (kennt Plutarch sehr gut), aber auch um das Lesbiertum („sapphische Liebe) und heißt diese sexuellen Orientierungen ebenso gut wie alle anderen. In der Harmonie werden auch seiner Sicht „unisexuelle Orgien“ natürlich ihren Raum bekommen.

Sado-Masochismus
Zwar hat Fourier noch keine Worte für die sexuellen Orientierungen, die man heute als Sado-Masochismus bezeichnet, aber sie sind ihm offenkundig wohlbekannt. Er weist nach, daß diese Triebe schon in der Natur existieren und erzählt aus seinen Lebenserfahrungen: „Einige melancholisch veranlagte Männer finden Gefallen daran, von ihren Schönen (….) geschlagen und mißhandelt zu werden (….)“ und „…die Frau, die sie (die Peitsche) schwang, versicherte mir, daß sie mit aller Kraft auf ihre Opfer einschlage (… ) und daß es überaus glücklich sei ob dieser ritterlichen Liebkosung“.

Andere von Fourier beobachtete „Zwiespältigkeiten“
Fouriers Studien zur Homosexualität und zum Sado-Masochismus entsprechen nur bedingt seinen eigenen Neigungen – er hatte eingestandenermaßen einen Hang zu lesbischen Frauen-, vielmehr geht es ihm um die Erforschung der Komplexität der Leidenschaften:„Ich habe (… ) einen Mann gekannt, dem es Lust bereitete, wenn seine Geliebte sich vor seinen Augen mit einem anderen vergnügte; dennoch liebte er diese Frau und war durchaus imstande, sie zufriedenzustellen“ Doch auch noch wunderlichere Geschichten weiß er zu erzählen: „(… ) als einzigen Lohn begnügte er sich damit, (… ) am Fußende ihres Bettes zu sitzen und der Dame die Fußsohlen zu kitzeln“ und „Ein anderer liebt es, sich als kleines Kind verkleiden und behandeln zu lassen (….)“
Solcherlei offen auszusprechen war für Fouriers Zeit unerhört und skandalös.

Die Harmonie und die Zwiespältigkeiten
Fourier meinte, daß es eine feste Zahl von "Zwiespältigkeiten" gibt und diese einen relativ konstanten Prozentsatz bilden. Das deckt sich mit den modernen Erkenntnissen der Sexualwissenschaften. Doch er, der große Utopist, geht noch weiter und geht davon aus, daß es noch Leidenschaften gibt, die er gar nicht kennt. Auch diese sollen in der Harmonie zu ihrem Recht kommen. Selbst wenn nur vierzig Menschen auf der ganzen Welt einer solchen Neigung nachgehen, „dann wird man sich bemühen, diese 40 Sektierer zusammenzubringen“, deren Zusammenkünfte eine „Pilgerfahrt“ sein würden, die „ebenso heilig ist wie die Reise nach Mekka“. Minoritäre Neigungen werden nicht nur geduldet, sondern „mit Weihrauch bestreut“ werden. Es ist die Aufgabe der Harmonie, deren Anhänger „zum Schutze dieser Art von Lustbarkeit zusammenzuschließen“. In der Harmonie wird man sich „des Zwiespältigen bedienen“, die zweispältigen Neigungen werden sich „in Tugenden wandeln“, das Zwiespältige dient, wie alle anderen Leidenschaften auch, der differenzierten Anordnung und Bewegung, dem guten Fortgang des „gesellschaftlichen Konzerts“. Es wird sicherlich noch lange dauern, bis diese Sicht des wohl größten Utopisten der bisherigen Geschichte auch Ansichten eines „main stream“ sein werden.
Die Betrachtung der Zwiespältigkeiten in den erotischen Leidenschaften führt Fourier aber nicht zur Beliebigkeit und zur Gleichgültigkeit gegenüber Zwang und Gewalt. Insbesondere die Sklaverei und die Erniedrigung der Frau werden von Fourier immer wieder gebrandmarkt. Die Freiwilligkeit und der Zusammenschluß von Menschen nach ihren Neigungen in Serien ist absolute Grundlage seines Konzepts.


5. Über die Freiheit in der Arbeit

Fouriers Ausführungen über die Arbeit basieren auf folgenden Grundgedanken.
• Was ist Arbeit? Nach der Bibel ist sie eine Strafe für den Menschen. Er sieht das nicht so und verweist auf das Beispiel der Tiere. Arbeit ist nur dann eine Strafe, wenn sie auf Zwang beruht.
• Die „Zivilisierte Arbeit“ gleichwohl ist ein Unglück für die Menschen, da sie immer auf Zwang beruht.
• Deswegen ist die Arbeit bei den Reichen auch verpönt
• Wie ist Liebe zur Arbeit möglich? In der Zivilisation ist sie nicht möglich, sondern nur in den „leidenschaftlichen Serien“ der Zukunft.
Friedrich Engels über Fouriers Theorie von der Arbeit
Ausnahmsweise lasse ich statt Fourier selbst seinen großen Bewunderer Friedrich Engels in dieser Sache sprechen: „Fourier war es, der zum ersten Male das große Axiom der Sozialphilosophie aufstellte: Da jedes Individuum eine Neigung oder Vorliebe für eine ganz bestimmte Art von Arbeit habe, müsse die Summe der Neigungen aller Individuen im großen ganzen eine ausreichende Kraft darstellen, um die Bedürfnisse aller zu befriedigen.Aus diesem Prinzip folgt: wenn jeder einzelne seiner persönlichen Neigung entsprechend tun und lassen darf, was er möchte, werden doch die Bedürfnisse aller befriedigt werden, und zwar ohne die gewaltsamen Mittel, die das gegenwärtige Gesellschaftssystem anwendet. Diese Behauptung scheint kühn zu sein, und doch ist sie in der Art, wie Fourier sie aufstellt, ganz unanfechtbar, ja fast selbst-verständlich - das Ei des Kolumbus“.
(Engels in Fortschritte der Sozialreform auf dem Kontinent 1843)
Die Aufhebung des Arbeitszwangs durch die „anziehende Arbeit“ im Sinne Fouriers bezeichnet Engels hier als das „Ei des Kolumbus“, was er auch im hohen Alter noch einem Eugen Dühring entgegenhält .

Überflüssige, vergeudete Arbeit
Dem Argument "Wo kämen wir hin, wenn es keinen Arbeitszwang gäbe?", das man auch heutzutage noch oft hört, kontert er mit dem Hinweis auf das Chaos, das die Arbeit in der Zivilisation darstellt.
„Nichts ist lächerlicher als das Durcheinander, das in der Arbeit der Zivilisierten herrscht, die doch unzählige ökonomische Abhandlungen verfaßt haben“
Zwei Drittel der Bevölkerung gehen nach Fourier keinen oder negativen Beschäftigungen nach. Parasiten der Arbeit sind:
· an den Haushalt gefesselte Frauen;
· alle Angestellten, „deren Tätigkeiten nur infolge der zerstückelten Arbeit nötig sind und darum in der Assoziation überflüssig werden“;
· Militärapparate;
· Staatsbeamte;
· Arbeiten für die Regierung, die „jeder zu betrügen sucht“;
· „neun Zehntel“ der Kaufleute und Handelsagenten
Wenn diese überflüssige, vergeudete Arbeit entfiele, würde die tatsächlich notwendige Arbeit auch durch anziehende Arbeit erledigt werden können.

Recht auf Arbeit
„Gebt dem Zivilisierten eine Arbeit, die ihm unwiderruflich gehört und die er ausüben kann, wie und wann es ihm gefällt, ohne daß er von einem ungerechten Aufseher abhängig ist und sich mit Leuten einlassen muß, deren Sitten ihn abstoßen. Gebt dem Zivilisierten die gleichen Rechte wie dem Wilden, dem keine Macht der Welt das Recht streitig machen kann, die gleichen Arbeiten auszuführen wie die Häuptlinge seiner Horde“.

Anziehende Arbeit bedeutet für Fourier:
• Viele Geschöpfe arbeiten mit Lust, obwohl sie faul sein könnten (Tierreich).
• Es ist ein sozialer Mechanismus, der bewirkt, daß sie (die Tiere) ihr Glück in der Arbeit finden. Auch dem Menschen ist diese Eigenschaft zueigen.

Genossenschaftliche Arbeit
Natürlich kann nicht bruchlos vom Arbeitszwang in die anziehende Arbeit übergegangen werden. Fourier stellt sich eine "genossenschaftliche" Zwischenstufe vor.
Sie sieht folgendermaßen aus.

Bedingungen für anziehende genossenschaftliche Arbeit
• Jeder Arbeiter ist Assoziierter, Dividende statt Lohn
• Bezahlung entsprechend drei Fähigkeiten: Kapital, Arbeit, Talent
• Arbeitsperioden müssen (bis zu 8 mal) wechseln, denn „Begeisterung für eine Sache kann in Landwirtschaft / Manufaktur nicht länger als 2 Stunden anhalten“
• Arbeit in Gesellschaft von Freunden
• Werkstätten und Anbauflächen müssen durch Eleganz und Sauberkeit bestechen.
• Arbeitsteilung so fortgeschritten, daß jeder Mensch sich den Arbeiten widmen kann, die ihm zusagen.
• Volles Recht auf Arbeit (sofern Aufrichtigkeit und Befähigung unter Beweis gestellt worden ist).

6. Zusammenfassung: was Charles Fourier uns heute noch zu sagen hat

6.1. Probleme in Gemeinschaften

Vielfach herrscht in der Gemeinschaftsbewegung die Ansicht vor, zu einer funktionierenden Gemeinschaft gehöre ein gewisses Maß an Gruppenzwang, auf diese Erkenntnis stoße ich immer wieder. Eigentlich kenne ich nur eine einzige Gemeinschaft, die das Prinzip des Gruppenzwangs weitgehend abgeschafft hat, den Stamm der Likatier.
Damit will ich nicht sagen, daß Gruppenzwang offen propagiert wird, jedoch stellt er ein Axiom, eine Grundannahme im Denken vieler Menschen dar. Entsprechend hat die Kommunikation oft nötigenden bzw verletzenden Charakter. Verletzungen und destruktive Kommunikation zerstören viele Gemeinschaftsinitiativen.
Tatsächlich ist aus meiner Sicht Freiwilligkeit eine Grundbedingung von Gemeinschaftsleben.

Die Zukunftsgesellschaft kann nur ein auf Freiwilligkeit aufbauendes System sein, in dem der Arbeitszwang abgeschafft ist und statt dessen ein System von sozialen Regularien die anziehende Arbeit (freiwillige Arbeit aufgrund von Leidenschaften) so lenkt, daß alles Notwendige getan wird.
Hierbei ist die Überwindung nötigungsorientierter Kommunikation ist ein wichtiges Strukturelement in der Feinstruktur einer Gemeinschaft.
Wo Menschen ihre Leidenschaften leben können, dort fühlen sie sich auch beheimatet. Kultivierung der Leidenschaften statt ihrer Unterdrückung muß als unbedingtes Ziel und Leitmotiv einer Gemeinschaft gelten. Eine wichtige Aktivität dabei ist die Erforschung der Leidenschaften und ihrer Erfüllung als individuelles und gemeinsames Ziel.

6.3. Anziehende Arbeit

Gemeinschaften bis zu einer gewissen Größe können das Prinzip der anziehenden Arbeit von Charles Fourier noch nicht tatsächlich verwirklichen. Fourier war ja schon der Meinung, daß eine Mindestgröße von 1620 Menschen notwendig sein würde (jede Leidenschaft seines Systems mußte repräsentiert sein), um anziehende Arbeit in die Realität unzusetzen.
„Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ ist nur in großräumigen Strukturen möglich. Doch ist es auch in kleinen Ansätzen schon wichtig, Vertrauen auf die Leidenschaften als Triebfeder der Arbeit zu setzen statt des Zwanges. Und was den Zwang angeht, so ist es besser, sich von Sachzwängen leiten zu lassen, statt Arbeitszwang durch Kommandostrukturen zu verwirklichen
Es ist schlimm genug, daß Fouriers große Vision von der Harmonie (=Komm nismus) in den Köpfen vieler Menschen mit Arbeitslager und Arbeitszwang assoziiert wird.

6.4. Harmonie der Leidenschaften

Der gemeinsame Aufflug der Leidenschaften verhindert nach Fourier destruktive Entartungen und bringt auch alle Leidenschaften zum Aufflug. Daher muß jede Gemeinschaft, zumindest aber die "kommunikative Elite" derselben, die Leidenschaften ihrer Angehörigen zu ermitteln und sie miteinander in Harmonie zu bringen, nach der Devise: "Alle helfen allen bei der Verwirklichung ihrer Leidenschaften".
Hierbei ist sinnvollerweise auch Fouriers Unitismus als „Pivotale“ (Drehpunkt – Leidenschaft) azusehen. Das ist die Leidenschaft, das eigene Glück mit dem Glück anderer zu vereinen. Wenn diese Leidenschaft regiert, vereint sie alle anderen Leidenschaften insgesamt zu einem harmonischen Ganzen.

Epilog

Fourier und das Projekt Nemetien

Das Projekt Nemetien als "Modell einer lebenswerten Zukunft" basiert in entscheidendem Maße auf den Gedanken eines Charles Fourier.

Aus der „Ode an Charles Fourier“ Andre Breton

Ich grüße dich aus dem Versteinerten Wald
der menschlichen Kultur
In dem alles am Boden liegt
Durch den aber große kreisende Lichter streifen
Sie rufen dazu auf das Laubwerk und den Vogel zu erlösen

Aus deinen Fingern quillt der Saft der blühenden Bäume
wei du im Besitz des Steins der Weisen
nur deiner ersten Regung folgtest
die dir eingab
ihn den Menschen hinzustrecken


Doch zwischen dir und ihnen kein Vermittler
Kein Tag verging an dem du nicht eine Stunde lang
voller Vertrauen
In den Gärten des Palais-Royal auf ihn gewartet hättest

Die Anziehungen sind proportional den Bestimmungen

Weswegen ich heute zu dir komme

Ich grüße dich

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