Pierre Leroux, der religiöse Kommunist
Pierre Leroux (1797-1871) war Literaturkritiker, Philosoph und mystischer humanitärer Sozialist, dessen Gedanken am besten den “französischen Sozialromantizismus” markieren.
Er war zu seiner Zeit einer der einflussreichsten und popzulärsten sozialistischen Denker, bekannt unter radikalen Intellektuellen in ganz Europa.
Schon vor 1848 hatte er sich Ansehen erworben als scharfer Kritiker der „romantischen Schule“ und als führender französischer Gegenspieler zum eklektischen Philosophen Victor Cousin.
Heinrich Heine schrieb 1842 über ihn: „unbestreitbar einer der größten französischen Philosophen“. Er war die führende Stimme einer Gruppe von Sozialutopisten, die sich „Humanitaristen“ nannten.
Er begründete allerdings keine utopische Schule (wie etwa Charles Fourier, den er wütend kritisierte, oder Etienne Cabet), sondern übte informellen Einfluß aus, besonders über seine lebenslange Freundschaft mit der legendären Schriftstellerin George Sand, deren Novelle Spiridon (1839) seinen Einfluß reflektierte.
(Georges Sand)
Die Kommune Boussac
Lerouxs Beteiligung an den Ereignissen um die Revolution von 1848 begannen in der Ortschaft Boussac mit finanzieller Unterstützung durch George Sand und in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Jules – einem militanten Drucker – eine Druckerei begründete (1844), die zum Kern einer Kolonie (Kommune) von Arbeitslosen, Druckereiarbeitern, Journalisten und Rechtsanwälten wurde. Leroux beabsichtigte diese Société typographique et agricole (Typographische und landwirtschaftliche Gesellschaft) zu einem Experiment in egalitärem kooperativem Zusammenleben, also eine Art Großkommune auszuweiten. Es sollte nach seiner Vorstellung Landwirtschaft mit Industrie verbunden werden. Auch sollte so Paris mit den Provinzen und die Intellektuellen mit den Arbeitern in der Sozialreformbewegung verbunden werden.
Leroux und seine Gruppe war in den Monaten vor der Revolution 1848 auch aktiv in der regionalen republikanischen Bewegung (gegen den „Bürgerkönig“) tätig. Unmittelbar nach der Revolution wurde Leroux zum Bürgermeister von Boussac gewählt.
Er verließ aber Boussac für immer, nachdem er als Abgeordneter für Paris in die Konstituierende Versammlung gewählt wurde (4.Juli 1848).
Radikaler Politiker
1848 kam es nach dem Sturz der Monarchie zur sogenannten Juni – Insurrektion der Pariser Arbeiter. Leroux war im Vorfeld beteiligt und wurde gemeinsam mit den Arbeiterführern Blanqui, Barbes und Raspail 1m 15. Mai 1848 eingekerkert.
Er nahm an der Juni – Insurrektion (Arbeiteraufstand) nicht aktiv teil, versuchte aber die Massaker an den Gefangenen der Juni – Insurrektion zu verhindern und kritisierte die Regierung scharf.
Er trat weiterhin als Parteigänger der radikalen Bergpartei (Montagne) für die Interessen der Arbeiter ein und verteidigte den Sozialismus.
Als Sprecher der „sozialistischen Arbeiter“ startete er eine Gesetzesvorlage, die das Frauenwahlrecht vorsah – die erste Gesetzesvorlage dieser Art in der Geschichte.
Die frühen Feministinnen Pauline Roland und Jeanne Deroin waren seine Anhängerinnen.
Gegen den Staatsstreich Napoleons III. protestierte er und musste deswegen nach England fliehen.
Seine Philosophie basierte auf dem Prinzip der “Trinität” (Dreiheit), in die er – so seine Gegner – vernarrt war.
So waren für ihn alle wichtigen Dinge im Kosmos trinitär.
Gott war für ihn Macht, Intelligenz und Liebe.
Das konservative Bürgertum machte sich über seine Philosophie lustig, aber sie fandWiderhall in den Manifesten der damaligen Arbeiterbewegung.
Der Mensch bestand für ihn aus Empfindung, Gefühl und Wissen.
Lerouxs Philosophie
Wie andere utopische Sozialisten lehnte Leroux Marktwirtschaft, Industriekapitalismus und bürgerlichen individualismus ab.
Er betonte die Notwendigkeit für eine demokratische und egalitäre Lösung der sozialen Frage basierend auf einem neuen Verständnis von Humanität, ein universelles und totales, im Gegensatz zum schon damals verbreiteten individualistischen Verständnis, welches die Gesellschaft geordnet in Kasten von Familien Ländern und Eigentum ansieht.
Diese "Menschheit" enthielt für Leroux alle vorangegangenen Generationen und ebenso die spirituelle Gemeinschaft aller Lebewesen.
Es war eine mystische Vorstellung von der Menschheit, die davon ausging, dass ein neuer Glaube oder ein neues Ideal, eine Religion die Menschheit soziale Reform führt.
Im Licht dieses neuen Glaubens würde "Solidarität," oder "das moralische Abendmahl", die christliche Wohltätigkeit als das wesentliche Bindeglied von menschlichen Beziehungen ersetzen.
Wirkungsgeschichte
Für diese religiös-kommunistischen Vorstellungen, die am originärsten seine waren, wurde Leroux in der weniger „romantischen“ Periode nach 1848 (in den Jahren des zweiten französischen Kaiserreiches) eher verachtet und geriet in Vergessenheit.
Verschiedene Kommentatoren charakterisierten seine Gedanken als nebulös und widersprüchlich, doch wurde er auch oft fehlinterpretiert.
So wurde er als Hegelianer, als liberaler Protestant und als Gläubiger in Reinkarnation beschrieben.
Nichts davon war er wirklich.
Die militanten Arbeiter seiner Zeit sahen ihn als ihren Philosophen an, sie feierten den Mann mit dem dichten zerzausten Bart als Verkünder einer demokratischen und egalitären Zukunft, als religiösen Revolutionär und Kommunisten.
Er lebte bis 1870 in England (verweigerte eine Amnestie 1859) und kehrte – ist es ein Zufall? – während der Pariser Kommune nach Frankreich zurück. Er starb während dieser stürmischen Ereignisse.
Ehre sei seinem Andenken.
(Statue Pierre Lerouxs in seiner Heimatgemeinde Boussac)
siehe auch
http://www.ohiou.edu/~Chastain/ip/leroux.htm
Er war zu seiner Zeit einer der einflussreichsten und popzulärsten sozialistischen Denker, bekannt unter radikalen Intellektuellen in ganz Europa.
Schon vor 1848 hatte er sich Ansehen erworben als scharfer Kritiker der „romantischen Schule“ und als führender französischer Gegenspieler zum eklektischen Philosophen Victor Cousin.
Heinrich Heine schrieb 1842 über ihn: „unbestreitbar einer der größten französischen Philosophen“. Er war die führende Stimme einer Gruppe von Sozialutopisten, die sich „Humanitaristen“ nannten.
Er begründete allerdings keine utopische Schule (wie etwa Charles Fourier, den er wütend kritisierte, oder Etienne Cabet), sondern übte informellen Einfluß aus, besonders über seine lebenslange Freundschaft mit der legendären Schriftstellerin George Sand, deren Novelle Spiridon (1839) seinen Einfluß reflektierte.
(Georges Sand)
Die Kommune Boussac
Lerouxs Beteiligung an den Ereignissen um die Revolution von 1848 begannen in der Ortschaft Boussac mit finanzieller Unterstützung durch George Sand und in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Jules – einem militanten Drucker – eine Druckerei begründete (1844), die zum Kern einer Kolonie (Kommune) von Arbeitslosen, Druckereiarbeitern, Journalisten und Rechtsanwälten wurde. Leroux beabsichtigte diese Société typographique et agricole (Typographische und landwirtschaftliche Gesellschaft) zu einem Experiment in egalitärem kooperativem Zusammenleben, also eine Art Großkommune auszuweiten. Es sollte nach seiner Vorstellung Landwirtschaft mit Industrie verbunden werden. Auch sollte so Paris mit den Provinzen und die Intellektuellen mit den Arbeitern in der Sozialreformbewegung verbunden werden.
Leroux und seine Gruppe war in den Monaten vor der Revolution 1848 auch aktiv in der regionalen republikanischen Bewegung (gegen den „Bürgerkönig“) tätig. Unmittelbar nach der Revolution wurde Leroux zum Bürgermeister von Boussac gewählt.
Er verließ aber Boussac für immer, nachdem er als Abgeordneter für Paris in die Konstituierende Versammlung gewählt wurde (4.Juli 1848).
Radikaler Politiker
1848 kam es nach dem Sturz der Monarchie zur sogenannten Juni – Insurrektion der Pariser Arbeiter. Leroux war im Vorfeld beteiligt und wurde gemeinsam mit den Arbeiterführern Blanqui, Barbes und Raspail 1m 15. Mai 1848 eingekerkert.
Er nahm an der Juni – Insurrektion (Arbeiteraufstand) nicht aktiv teil, versuchte aber die Massaker an den Gefangenen der Juni – Insurrektion zu verhindern und kritisierte die Regierung scharf.
Er trat weiterhin als Parteigänger der radikalen Bergpartei (Montagne) für die Interessen der Arbeiter ein und verteidigte den Sozialismus.
Als Sprecher der „sozialistischen Arbeiter“ startete er eine Gesetzesvorlage, die das Frauenwahlrecht vorsah – die erste Gesetzesvorlage dieser Art in der Geschichte.
Die frühen Feministinnen Pauline Roland und Jeanne Deroin waren seine Anhängerinnen.
Gegen den Staatsstreich Napoleons III. protestierte er und musste deswegen nach England fliehen.
Seine Philosophie basierte auf dem Prinzip der “Trinität” (Dreiheit), in die er – so seine Gegner – vernarrt war.
So waren für ihn alle wichtigen Dinge im Kosmos trinitär.
Gott war für ihn Macht, Intelligenz und Liebe.
Das konservative Bürgertum machte sich über seine Philosophie lustig, aber sie fandWiderhall in den Manifesten der damaligen Arbeiterbewegung.
Der Mensch bestand für ihn aus Empfindung, Gefühl und Wissen.
Lerouxs Philosophie
Wie andere utopische Sozialisten lehnte Leroux Marktwirtschaft, Industriekapitalismus und bürgerlichen individualismus ab.
Er betonte die Notwendigkeit für eine demokratische und egalitäre Lösung der sozialen Frage basierend auf einem neuen Verständnis von Humanität, ein universelles und totales, im Gegensatz zum schon damals verbreiteten individualistischen Verständnis, welches die Gesellschaft geordnet in Kasten von Familien Ländern und Eigentum ansieht.
Diese "Menschheit" enthielt für Leroux alle vorangegangenen Generationen und ebenso die spirituelle Gemeinschaft aller Lebewesen.
Es war eine mystische Vorstellung von der Menschheit, die davon ausging, dass ein neuer Glaube oder ein neues Ideal, eine Religion die Menschheit soziale Reform führt.
Im Licht dieses neuen Glaubens würde "Solidarität," oder "das moralische Abendmahl", die christliche Wohltätigkeit als das wesentliche Bindeglied von menschlichen Beziehungen ersetzen.
Wirkungsgeschichte
Für diese religiös-kommunistischen Vorstellungen, die am originärsten seine waren, wurde Leroux in der weniger „romantischen“ Periode nach 1848 (in den Jahren des zweiten französischen Kaiserreiches) eher verachtet und geriet in Vergessenheit.
Verschiedene Kommentatoren charakterisierten seine Gedanken als nebulös und widersprüchlich, doch wurde er auch oft fehlinterpretiert.
So wurde er als Hegelianer, als liberaler Protestant und als Gläubiger in Reinkarnation beschrieben.
Nichts davon war er wirklich.
Die militanten Arbeiter seiner Zeit sahen ihn als ihren Philosophen an, sie feierten den Mann mit dem dichten zerzausten Bart als Verkünder einer demokratischen und egalitären Zukunft, als religiösen Revolutionär und Kommunisten.
Er lebte bis 1870 in England (verweigerte eine Amnestie 1859) und kehrte – ist es ein Zufall? – während der Pariser Kommune nach Frankreich zurück. Er starb während dieser stürmischen Ereignisse.
Ehre sei seinem Andenken.
(Statue Pierre Lerouxs in seiner Heimatgemeinde Boussac)
siehe auch
http://www.ohiou.edu/~Chastain/ip/leroux.htm
nemetico - 4. Jun, 20:49
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