Samstag, 7. Juni 2008

Nemetien und der Regionalismus

Dieser Artikel von -raven- erschien 2004 in der Printausgabe der NHZ Nr. 8. Der Autor legt Wert auf den Hinweis, daß er aus heutiger Sicht den Artikel an einigen Stellen anders formulieren und die Schwerpunkte anders setzen würde. Auch schätzt er die Bedeutung eines revolutionären Regionalismus heute anders ein. Jedoch ist der Text als Diskussionsgrundlage nach wie vor sehr wertvoll.

Vorwort

Dem Konzept Nemetien wurde von links-dogmatischen Positionen aus schon Nähe zu „Blut-und Boden“ – Ideologien unterstellt. Dies wird damit begründet, dass im Zusammenhang mit dem Projekt Nemetien auch Begriffe wie „Heimat“ und „Republik“ verwendet wurde und wird.
Diese Kritiken sind weitläufiger Ausdruck einer allgemeinen dogmatischen Verkrustung der deutschen politischen Linken, die kaum noch etwas gemeinsam hat mit der politisch einer lebenswerten Zukunft zugewandten politischen Linken des 19. Jahrhunderts, wo das platte eindimensionale Links – Rechts – Schema ursprünglich entstand. Für viele „Linke“ wird die Welt von einem geradezu mythischen und allmächtigen Kapitalismus „regiert“, dem Erzbösen, dessen Erscheinungsformen auf allen Ebenen unablässig angeklagt werden müssen. Von einer revolutionärem Überwindung des Kapitalismus im Sinne von Karl Marx und Friedrich Engels ist da keine Rede mehr, das Links – Sein erschöpft sich in puren Anti - Haltungen. Besonders ein betulicher „Antifaschismus“ spielt hier eine Rolle, denn alle Erscheinungen, die von den Protagonisten abstrakt-„linker“ Positionen nicht verstanden werden, rücken diese eilig in die Nähe von „Blut und Boden“, sprich dem Nationalsozialismus: Vegetarismus, Veganismus, Tauschringe, vom ZEGG inspirierte Gruppen, Esoterik, neuheidnische Gruppen und vieles andere mehr – alles sind beispielsweise nach Meinung einer Jutta Dittfurth angeblich Erscheinungsformen eines „ökologischen Faschismus“.
Gleichzeitig profitiert die xenophobische extreme Rechte von der politischen Degeneration der Linken, indem sie antikapitalistische Losungen aufgreift (so die NPD im Sächsischen Wahlkampf) und auf die Mühlen eines „neuen Nationalismus“ zu lenken versucht. Natürlich ist die panische Angst der degenerierten „antifaschistischen“ Linken, die einen ständigen Blutverlust an die extremistische Rechte erleidet, berechtigt: scheinbar wird eine Rechte, die sich auf positive Identifikationsmuster wie „Volk“ und „Nation“ bezieht, im Gegensatz zu einer Linken, die nur noch Anti – Positionen formulieren kann ( Anti-Faschismus, Anti-Kapitalismus, Anti-Rassismus, Anti-Autoritär, Anti-Imperialismus) immer attraktiver für besonders unzufriedene Bevölkerungsanteile. Wenn dann noch hinzukommt, dass so genannte „antideutsche Linke“ unter Losungen wie „Links ist da, wo es keine Heimat gibt “, „Deutschland – verpiss dich“ und „Bomber Harris – do it again “ die Irak – Invasion der USA als „antifaschistischen Kampf“ gegen eine „antisemitische Internationale“ bejubeln, dann ist es kein Wunder, dass eine sich antikapitalistisch gebärdende Rechte mehr und mehr an Boden gewinnt.
Doch die politische Degeneration der politischen Linken ist nicht das eigentliche Thema dieses Aufsatzes. Mir geht es darum, den Begriff „Nation“ kritisch zu beleuchten, ihm den Begriff der Region gegenüberzustellen, die politische Dimension des Projektes Nemetien zu erläutern und aufzuweisen, dass ein revolutionärer Regionalismus eine wichtige Rolle in deiner konstruktiven Zukunftsgestaltung spielen kann, auch geraden im Zusammenhang mit dem weltweit anwachsenden Widerstand gegen die kapitalistische Globalisierung.
Natürlich gilt es hier, sich entschieden von rechtsextremistischen Mustern abzusetzen, von Mystifikationen von „auserwählten Völkern“ oder selbst nur „Leitkulturen“.
Indessen hilft da eine keine pseudolinke Paranoia weiter, die am liebsten den Wortschatz in „gute“ und „böse“ Vokabeln unterscheiden möchte, eine Erscheinung, die bisweilen als „Political Correctness“ bezeichnet wird und eigentlich nur Ausdruck von Denkfaulheit und Verplattung ist.
Sicher gilt es auch, gegen die Einvernahme des Themas Zugehörigkeit und Identität durch rechte Ideologien einzutreten.
Das Projekt Nemetien soll den Menschen, die sich ihm anschließen, schon Zugehörigkeit und Identität bieten („Nicht Heimat suchen, sondern Heimat schaffen“), doch hat dies nichts mit herkömmlichen Nationalismus zu tun.
Die möglichen politischen Dimensionen des Projektes Nemetien möchte ich in diesem Text beleuchten, unter Abgrenzung zum Nationalismus und Entwicklung des Gedankens eines transformatorischen, revolutionären Regionalismus in Europa und weltweit.

Die Fragwürdigkeit der großen Nationalstaaten Europas

Der Begriff Nation
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie im Internet (http://de.wikipedia.org)

Der Begriff Nation bezeichnet eine große, meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Personen, die über gleiche Abstammung, Geschichte, Sprache und Kultur, und ein gemeinsames Staatswesen auf einem bestimmten Territorium verfügen können (Nationalität).

Im 18. Jahrhundert entstanden, entfaltete die Vorstellung der Nation sogleich eine hohe Dynamik und Flexibilität. Mit der Idee und dem Phänomen der Nation waren stets sehr unterschiedliche Interessen und Vorstellungen verbunden. Eine Nation ist ein historisch und politisch gewachsenes Personengebilde, das durch unterschiedliche politische, soziale und kulturelle Bedingungen geprägt ist.


Obwohl sich in der Wikipedia – Enzyklopädie viele ausgezeichnete Artikel finden, möchte ich an der vorstehenden Definition meine Zweifel anwenden, mindestens in dem Rahmen, wo sie sich auf so genannte Nationalstaaten wie Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien bezieht.
Die genannten „Nationalstaaten“ sollen sich also dadurch auszeichnen, dass es sich bei ihnen um geschlossen siedelnde Gemeinschaften mit jeweils gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache und Kultur handeln würde, die historisch und politisch „gewachsene Personengebilde“ darstellen.
Das wage ich zu bezweifeln. Vielmehr sind alle genannten großen Nationalstaaten nicht aus historischem und politischem Wachstum hervorgegangen, sondern verdanken ihre Existenz ausschließlich militärischen Eroberungen durch feudale Adelsdynastien.
Doch zunächst möchte ich die Legenden von der ethnischen oder selbst auch nur linguistischen Begründung des Nation – Begriffes entmystifizieren.
Nation ist keine objektive Kategorie. Definitionen, die dementsprechende Kriterien suchen, müssen scheitern. Nation setzt allemal Bekenntnis voraus, es handelt sich also um Identifikationsgemeinschaften. Nationen haben keine wirkliche ethnische Substanz - auch wenn sie es oft von sich behaupten -, sie sind die Folge der Herrschafts- und Kräfteverhältnisse in einem bestimmten Gebiet zu einer bestimmten Epoche. Sie sind geschichtlich einordbar, primär zugehörig dem bürgerlichen Staat der aufsteigenden Epoche des Kapitals.

"Nation - Terminus wie Sache - sind jungen Datums. Eine prekäre zentralistische Organisationsform sollte die diffusen Naturverbände nach dem Untergang des Feudalismus zum Schutze der bürgerlichen Interessen bändigen. Sie musste zum Fetisch werden, weil sie anders die Menschen nicht hätte integrieren können, die wirtschaftlich ebenso jener Organisationsform bedürfen, wie sie ihnen unablässig Gewalt antut." (Adorno)

Mit dem Begriff Nation reflektieren wir also nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Menschheitsgeschichte. Diese Kategorie wurzelt weder in eingrenzbaren oder genau bestimmbaren Stämmen und Sippen, noch ist sie für die Zukunft ein gültiges und zuträgliches Konzept menschlicher Kommunikation. Das Nationale verflüchtigt sich in der Zeit, ebenso wie es sich zum Beginn des Kapitalismus verdichtete.
Nationen sind also geworden und können somit auch wieder vergehen. Sie sind nicht eherner Bestandteil der menschlichen Geschichte, sie sind Ausformung, nicht Voraussetzung geschichtlichen Wirkens. Selbst die Namensbezeichnung, die sich für eine bestimmt Gemeinschaft durchgesetzt hat, ist oft bloß Folge regionaler Dominanzen, ja Zufällen: die Franzosen hätten genauso gut Burgunder werden können, wie die Österreicher zu Steirern oder die Schwaben zu Alemannen. Zu Beginn des Hochmittelalters war da noch nichts entschieden. Keinem Steirer wäre damals eingefallen, ein Österreicher zu sein, kein Burgunder sah sich als Franzose. Der bornierte Nationalist würde sich wundern, wüsste er, wer durch die Jahrhunderte alles für ihn herumgevögelt hat, damit er in seiner konkreten Existenz überhaupt erst zu sich kommen konnte. Ekeln müsste ihn angesichts der vielen Wanderungen und Migrationen vor diesem Potpourri der Völker und Stämme, der Nationalitäten und Religionen, die Kette von Zweckheiraten, Ehebrüchen, Seitensprüngen und Liebschaften, die ihn da ganz unabsichtlich genetisch kreierten. Der biologische Rassismus blamiert sich also schon an seinen Exemplaren.
Im 19. und 20. Jahrhundert bemühten sich die Historiker zahlreicher „Nationen“, die Herkunft ihres Nationalstaates auf uralte „natürliche“ genetische oder ethnische Wurzeln zurückzuführen. So führten deutsche Historiker den Ursprung Deutschlands auf die Germanen zurück, Frankreich bemühte die Gallier (und nicht etwa die germanischen Franken), Italien das Imperium Romanum. Die Germanen wurden wiederum auf ein Urvolk der „Indogermanen“, auch „Indoeuropäer“ zurückgeführt, die als Eroberer vor 4000 Jahren nach Europa gekommen wären. Die Wurzelverwandtschaft der meisten europäischen Sprachen mit dem indischen Sanskrit, das von einem Volk der „Arier“ gesprochen worden war, führte zu dem Mystizismus einer überlegenen „arischen Rasse“, welcher vor allem von der nationalsozialistischen Ideologie kultiviert wurde.
Angeblich wäre so Deutschland als Nation der direkte Nachkomme der historischen Germanen, wäre gewissermaßen die Herausbildung eines Volkes zu einer genetisch einheitlichen Nation, wobei die deutsche Sprache Produkt einer natürlichen Entwicklung von der „indogermanischen“ Ursprache über das Germanische zum Deutschen sein soll.
Andere Nationalstaaten strickten an anderen Mythen, um ihre eigene Existenz zu rechtfertigen und historisch zu fundieren.

Urvolk der Europäer: die Vaskonen

Nach neueren Forschungsergebnissen sieht ohnehin alles anders aus. Zum einen gibt es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen einer gesprochenen Sprache und einer genetischen Verwandtschaft, im Fall von Deutschland allemal, dessen Bevölkerung aus vielen Vermischungen und Einwanderungen hervorgegangen ist. Zum anderen ist die genetisch – ethnische Begründung für eine „Nation“ ohnehin höchst fragwürdig.
In jüngerer Zeit erlitt gerade die „Indogermanen“- Mystik des alten Europa einen entscheidenden Knacks, denn es scheint alles darauf hinzudeuten, dass die alte Auffassung der Basken, dass sie direkt von den altsteinzeitlichen Cromagnon – Menschen abstammen, von neueren archäologischen und linguistischen Forschungen gedeckt wird. Aber nicht nur das, genetisch stammen alle Europäer von einer vorindogermanischen Urbevölkerung ab, die lediglich durch zahlreiche Einwanderungen immer wieder durchmischt und auch sprachlich überlagert wurde. Was noch sensationeller scheint: diese Urbevölkerung sprach nicht „indogermanisch“, sondern eine Vorform des Baskischen, das heute nur noch im spanischen und französischen Baskenland überlebt hat.
Empfehlen kann ich Spektrum der Wissenschaft' Ausgabe Mai 2002. Der Artikel 'Ursprache der Alteuropäer' von Elisabeth Hamel und Theo Vennemann untersucht die Einflüsse des Baskischen auf die europäische Sprachlandschaft: "In vielen europäischen Fluss- und Ortsnamen stecken mit dem Baskischen verwandte Wörter . Die Namen wurden bald nach der letzten Eiszeit vergeben. In ganz Europa sind die Menschen noch mit den Basken, einem vorindogermanischen Volk, eng verwandt."
Es gibt ein weiteres Indiz für ein großräumiges vorgeschichtliches Siedlungsgebiet der Basken: die Verwendung der Zwanzigerzählung in einigen europäischen Sprachen. . Das Zwanzigersystem und die Ortsnamen stammen somit nach Vennemanns Ansicht von einer vorgeschichtlichen Bevölkerung, die Europa und eventuell Nordafrika vor den Indogermanen bewohnte. Demnach sprechen die heutigen Basken die gegenwärtige Version dieser alten Sprache, die Vennemann als „Vaskonisch“ bezeichnet. Ansonsten hat sich dieser Wortschatz in den Sprachen Europas nur in Spuren erhalten, wie es auch im amerikanischen Englisch nur wenige Wörter der Eingeborenen gibt. So dürften „Eis“, „Gemse“ und „Käse“ auf die Zeit zurückgehen, als man in Europa Vaskonisch sprach. Indoeuropäische Herleitungsversuche für diese Wörter galten seit jeher als problematisch; sie sind durch die vaskonischen Etymologien jedenfalls besser erklärt.
Unterstützung findet Vennemann auch in der Genforschung, so zum Beispiel in einer Studie am männlichen Y-Chromosom (Science, Bd. 290, S. 1155, 2000). Demnach gehen 80 Prozent der heute lebenden männlichen Europäer (Y-Chromosom!) auf dieselbe Urbevölkerung zurück, unter den Basken ist der Anteil noch höher. Nur 20 Prozent der heutigen männlichen Europäer stammen hingegen von jungsteinzeitlichen Bauern ab, die offenbar die Überbringer von Ackerbau und Viehzucht waren: den Indogermanen.
Genetisch sind also die meisten Europäer einschließlich der Deutschen genetisch „Vaskonen“, keine „Arier“. Wenn das der Führer wüsste!

Nation ist eine historisch vollkommen willkürliche Kategorie – die Beispiele Großbritannien, Frankreich und Spanien

Tatsächlich ist die Subsummierung von großen Populationen von Menschen zu einer Nation (z. B. Frankreich, Deutschland, Italien) letztlich ein letzten Endes willkürlicher (also durch Willen bewirkter), und nicht ein natürlicher Akt. Das bedeutet nicht, dass die Schaffung von Nationalstaaten reine Hirngespinste darstellen, schließlich stellten und stellen Nationalstaaten (durchaus im Sinne Marx und Lenins) machtvolle Gewaltapparate dar, die sich auf Berufsbeamtentum, stehende Heere und zentralistische Verwaltungsstrukturen stützen.
Eine kleine historische Rundreise durch Europa soll illustrieren, dass keiner der großen Nationalstaaten Europas seine Bildung irgendeiner natürlichen ethnischen Entwicklung verdankt, sondern alle ihre Herausbildung einer Kette von Eroberungskriegen und einer Reihe historischer Zufälle verdanken.
Jeder, der Mel Gibsons Film „Braveheart“ gesehen hat, wird selbst ohne fundierte Geschichtskenntnisse wissen, dass „England“ bzw. „Großbritannien“ ein aus Eroberungen und Unterdrückung hervorgegangenes „willkürliches“ Konstrukt ist. Die britischen Inseln waren immer ein Vielvölkergebilde gewesen. Bis 1920 kämpften die Iren erbittert um ihre Eigenstaatlichkeit, und der Kampf um die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zum „Vereinigten Königreich“ (denn das bedeutet das internationale Kürzel „UK“ wirklich) dauert in Nordirland (Ulster) bis heute an. Auch in Schottland und Wales gibt es starke independistische politische Bewegungen, in Schottland haben sich die independistischen Parteien SNP und SSP gar einen festen Platz im politischen Leben erobert.
Allein das sollte bereits als Beleg dazu dienen, dass die „Nation England“ Produkt historischer Zufälligkeiten und machtpolitischer Willkürlichkeiten darstellt. Kulturell überlagern sich in Großbritannien vorkeltische, keltische, angelsächsische und normannische Traditionen, zum Teil auf sehr originelle Weise.

Frankreich, das ehemalige fränkische Westreich, war den größten Teil seiner Geschichte keineswegs die zentralisierte „Grande Nation“, als die sie sich im 19. und 20.Jahrhundert bezeichnete. In Südfrankreich wurde eine völlig andere Sprache gesprochen als in Nordfrankreich (das so genannte Okzitanische, eine dem Katalanischen sehr verwandte romanische Sprache, mit dem auch das Gaskonische und Provenzalische verwandt ist). Eine Kette von Kriegen führte zur Herausbildung des Zentralismus, welcher letztlich der Zentralismus der absoluten Monarchie war: Albigenserkriege, hundertjähriger Krieg gegen England, Hugenottenkriege. Gegen die zentralistische absolute Monarchie richtete sich die französische Revolution, die gleichwohl den Zentralismus übernahm.
In den revolutionären Kriegen innerhalb Frankreich fanden sich die Autonomiebestrebungen der Regionen gegen den Zentralismus dementsprechend auf der Seite der Girondisten oder der Royalisten, besonders deutlich beim Vendee – Aufstand, in dem die Bretagne erbittert um ihre Selbstbestimmung kämpfte.
Bis heute existieren autonomistische Bewegungen in der „Grande Nation“, so in Korsika , in der Bretagne , im Elsass, in Okzitanien, in der Normandie, im französischen Baskenland.

Auch im ehemals piemontesischen Savoyen gibt es autonomistische Bewegungen.

Spanien ist ein besonders deutliches Beispiel für den künstlichen Charakter „moderner“ Nationen. Jeder politisch gebildete Mensch weiß um den Kampf der baskischen Abertzales um die baskische staatliche Unabhängigkeit. Die fragwürdigen politischen Taktiken der heutigen ETA sollen an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
Weniger bekannt ist, dass es auch in anderen „Regionen“ des spanischen Staates mehr oder minder intensive Unabhängigkeitsbestrebungen gibt.
So gibt es allein drei Bundesstaaten mit katalanischer Amtssprache (Cataluna, Pais Valencia, Baleares). In Andalusien existieren eine ganze Reihe independistischer Parteien (Partido Andaluz, Partido Socialista de Andalucia, etc). Galizien ist ein Bundesstaat mit eigener „galizischer“ Amtssprache.
Spanien verdankt seine Entstehung als „Nationalstaat“ der Heirat zweier erzkatholischer Hochadliger im 15. Jahrhundert, Isabella („die Wahnsinnige“) von Kastilien und Ferdinand von Aragon. Das spanische Königreich entstand vollständig durch blutige Eroberung: Der Militärstaat Kastilien zerstörte vor 1500 die hoch entwickelten maurischen Reiche Südspaniens und leitete eine Phase dramatischen kulturellen und wirtschaftlichen Niedergangs einer Region namens Andalusien ein, die in der Antike immerhin Sitz des hochkultivierten Reiches von Tartessos war . Die Basken, die im katholischen Spanien sich einer gewissen Privilegierung erfreuten , erlebten beim Dynastiewechsel (durch die Bourbonen im 19. Jahrhundert) eine Einbuße ihrer alten Freiheiten durch die „liberale Monarchie“, weswegen sie gemeinsam mit den Katalanen erbittert um ihre Rechte kämpften – ausgerechnet auf Seiten des katholischen Klerus, der ihnen die Bewahrung der alten Freiheiten zugesagt hatte. Das waren die so genannten Karlistenkriege. Im 20. Jahrhundert wurden die Rollen vertauscht. Im spanischen Bürgerkrieg kämpften die Autonomisten im Baskenland und in Katalonien gemeinsam mit der Arbeiterbewegung gegen den Militärputsch des Generals Franco, der das einige, unteilbare und katholische Spanien durchsetzte.

Einige weitere Beispiele können zeigen, dass die meisten „Nationen“ Europas ihre Existenz historischen Zufällen und Willkürlichkeiten verdanken. Die Schweiz (Confederacio Helvetica) verdankt ihre Entstehung der Rebellion einiger Alpenlandschaften gegen die Habsburger Dynastie. Die Niederlande entstanden aus der Rebellion der reformierten Holländer gegen die spanische Inquisition. Zum Teil wurde eine historische Kontinuität zurechtkonstruiert, so führte sich die Schweiz auf das keltische Volk der Helvetier zurück, und Belgien auf das kriegerische Volk der gallische Belger. Portugal gar verdankt seinen Namen der Wortbildung „Porto Cale“ (gallischer Hafen), der alte Namen der heutigen Stadt Porto. Griechenland bezieht sich weitgehend zu Unrecht auf die antiken Griechen, denn zahllose Einwanderungswellen von Türken, Albanern und Slawen prägte seine Geschichte, dementgegen es eine gesamtgriechische Eigenstaatlichkeit in der gesamten griechischen Antike niemals gab. Dass der ethnische Flickenteppich Jugoslawien eine Zwangsvereinheitlichung nicht vertrug, wissen wir aus der jüngeren Geschichte.

Das Beispiel „Deutschland“

Entgegen der Legendenbildung vor allem des 19. Jahrhunderts ist auch „Deutschland“ keine ethnischen oder sprachlichen Gesetzmäßigkeiten folgende Nationenbildung.
Das von Karl „dem Großen“ begründete Reich sah sich als Rechtsnachfolger des Römischen Imperiums, was durch die Kaiserkrönung 800 durch den Papst zum Ausdruck kam. Das Reich Karls „des Großen“ umfasste Gebiete von Spanien bis zum heutigen Polen, die durchweg gewaltsam vom fränkischen Adel erobert worden waren .
Erbstreitigkeiten unter den Nachkommen Karls des Großen führten zu einer Aufteilung des Frankenreiches, das sich als Rechtsnachfolger des Römischen Imperiums ausgab. Eine Zufälligkeit bewirkte, dass es zu einer Aufteilung in ein Ostreich und ein Westreich kam. Im Westreich wurde ein vulgarisiertes Latein, im Ostreich eine Fülle regionaler Sprachen als Verkehrssprache gesprochen.
Das Ostreich nannte sich denn auch „Heiliges Römisches Reich deutscher Nation“. Das „teutsche“ bezog sich auf den Ausdruck „theodisc“ (= volkstümlich) in Abgrenzung zum „walhisc“ (welsch, d.h. keltischsprachig ), und war eine rein negative sprachliche Abgrenzung , denn es gab zu dieser Zeit (10.Jahrhundert) keine einheitliche deutsche Sprache. Die Amts- und Kanzleisprache zu dieser Zeit war durchweg Kirchen - Latein. Indessen führte dieses später zum „ersten deutschen Reich“ stilisierte Gebilde immer noch den Titel „Heiliges Römisches Reich“ und definierte sich damit in erster Linie als Fortsetzung des Imperium Romanum mit dem Segen des Papstes (das meinte der Zusatz „heilig“), und nicht als ethnisch-rassisch-national verstandene Einheit, solche Vorstellungen waren bis zum 19. Jahrhundert völlig fremd.
Bekanntlich zerfiel das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ im Laufe des Mittelalters und der Neuzeit in fürstliche Territorialstaaten, bis es Napoleon 1806 endgültig auflöste .
Dass es dann 1870 zur Entstehung eines „zweiten Deutschen Reiches“ kam, ist im Wesentlichen dem Auftreten des militaristischen Preußischen Staates zu verdanken. Dessen Name ist ironischerweise von dem Namen des uralten slawischen Volkes der Pruzzen abgeleitet . Der Militärstaat Preußen besiegte 1866 das Habsburgische Österreich-Ungarn und die mit ihm verbündeten süddeutschen Fürstenstaaten (Bayern, Württemberg, Baden etc.) und konnte damit 1870 die Zwangsvereinigung in Form des „Deutschen Reiches“ herbeiführen .
Indessen hätte das Fehlen des „preußischen Faktors“ sehr wohl dazu führen können, dass das heutige Norddeutschland sich etwa auf der sprachlichen Grundlage des aus dem Altsächsischen hervorgegangenen „Platt“deutsch zu einer eigenen „Nation“ geformt hätte. Sächsisch ist die Sprache der Niedersachsen, die heute als "Plattdeutsch" oder "Niederdeutsch" bezeichnet wird und bis in das 16. Jahrhundert "Sächsisch" (auf Sächsisch/Niederdeutsch "Sassisch") hieß. Auch Otto der Große sprach Sächsisch, also (Alt-)Niederdeutsch, welches im Mittelalter als vom Süddeutschen völlig eigenständige Sprache verstanden wurde. Gleichwohl erlitt die einzige politische Kraft, die das vielleicht hätte bewirken können, der Städtebund der Hanse, zu Beginn der Neuzeit einen lähmenden wirtschaftlichen Niedergang, und so wurde es nichts mit einer Nordsee-Ostsee-Nation.
Die Entwicklung der deutschen Schriftsprache, die gelegentlich als Beweis für eine „natürliche Nationenbildung“ angeführt wird, war vollständig das Ergebnis einer sprachlichen Dominanz „von oben“. Da waren zum einen die so genannten „Kanzleisprachen“ etwa der Wiener (Habsburger) Kaiser - Kanzlei, die durch ihre Verwendung als Amtssprache die lokalen Sprachgewohnheiten überlagerte (zumal sich die Kanzleien der kleineren Fürstentümer nach der kaiserlichen Wiener Kanzlei richteten), da war zum anderen Luthers Bibelübersetzung, mit der er gewissermaßen eine „gemeine Teutsch“, eine deutsche Gemeinsprache erfand, indem er einfach die häufigsten Wortbedeutungen und grammatischen Regeln im „hochdeutschen“ Sprachgebiet in seiner Bibelsprache verwendete. Luther, dessen Wirken gegen Rom von vielen Territorialfürsten sehr unterstützt wurde, prägte wiederum deren Kanzleisprachen.
Noch Luther erwähnte gleichwohl, dass zu seiner Zeit alle 20 Kilometer eine „andere Zunge“ gesprochen wurde. Zweifellos wurden viele regionale Spracheigentümlichkeiten, sicherlich auch zahlreiche Überreste älterer Sprachen, durch die Vereinheitlichung durch die deutsche Schriftsprache eingeebnet und ausgelöscht.
Militärisch-politischer Zwang und sprachliche Vereinheitlichung von oben sind also letztlich die beiden Eltern der „deutschen Nation“.
Natürlich ist eine gemeinsame Sprache ein gewaltiger Vereinheitlichungsfaktor, und schon nach einigen Generationen ist das Wissen um die erzwungene Sprachvereinheitlichung vergessen. Welcher Hannoveraner etwa weiß denn noch, dass sein fast vollkommen dialektfreies „Hochdeutsch“, das er spricht, ursprünglich eine aus Süddeutschland stammende Fremdsprache ist, die die ursprüngliche „sassische “ Landessprache völlig verdrängt hat?
Es kam noch ein Faktor hinzu, nämlich die gescheiterte deutsche Revolution im 19. Jahrhundert. Vor allem durch den durch studentische Burschenschaften getragenen deutschen Patriotismus, der sich in erster Linie gegen die Territorialfürsten richtete, erlebte der Gedanke einer „deutschen Nation“ einen entscheidenden Auftrieb. Die Forderung nach der Einheit Deutschlands war ein Hebel zum Kampf gegen den fürstlichen Absolutismus. Auch Marx und Engels forderten damals, dass Deutschland zu einer einigen unteilbaren Republik erklärt würde. Der damals entstehende Nationalismus war im Kern eine antifeudale Bewegung, die sich gegen die aristokratischen Fürstenhäuser richtete, in Italien ebenso wie in Deutschland. Die niedergehenden Fürstendynastien versuchten, dem neu aufgekommenen Nationalismus, der die engen Grenzen der feudalen Kleinstaaten aufzubrechen versuchte, den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie sich an die Spitze dieser Bestrebungen setzten. So entstanden sowohl das „deutsche Reich“ unter preußischer Krone wie ein vereintes Italien unter der Krone des Hauses Piemont. Gleichwohl rettete das die alten Dynastien nicht vor ihrem Untergang. Doch die entstandenen Nationalstaaten wurden zu einem mächtigen Instrument des nunmehr zur wirtschaftlichen Elite herangewachsenen Industriekapitals zur Durchsetzung ihrer Interessen, der Nationalismus diente ihm dabei, die jeweilige Bevölkerung zur Identifizierung mit den eigenen Interessen zu bewegen.
Wir wissen, wie es weiterging.
Im ersten Weltkrieg kämpften Koalitionen von Nationalstaaten gegeneinander, selbst die Sozialdemokratie ordnete sich den jeweiligen „nationalen“ Interessen unter, der letzte dynastische Feudalstaat, Österreich-Ungarn, ging in der Flut des nationalen Wahns unter.
Nach der Katastrophe des Ersten Weltkrieges ging die von mächtigen internationalen Industriellenkreisen gesponserte NSDAP daran, alle Gebiete schriftdeutscher Sprache in einem „dritten“ deutschen Reich zu vereinen.
Die aus militärischen und politischen Gründen erwachsene (zwangsweise) Sprachgemeinschaft des „deutschen Volkes“ wurde zu einer Rassen – Gemeinschaft, zu einer biologisch und genetisch fundierten Volks - Gemeinschaft umgedeutet. Diese Ideologie war ein wichtiges Instrument der politisch-ökonomischen Eliten, die Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen (Volksgemeinschaft, „nationaler Sozialismus“) und für ihre imperialistischen Absichten (Lebensraum im Osten etc.) zu gewinnen. Doch das ist nicht Thema dieses Aufsatzes.

Ende der Nationalstaaten, Globalisierung, „Nation Europa“?


Dass der historische Nationalstaat, ob er sich nun Deutschland, Frankreich oder Italien nennt, sich überlebt hat, wissen wir ja nun spätestens, seitdem die Grenzen innerhalb der EU offen sind. Die Plutokratien unserer heutigen Welt sind über den Nationalstaat längst hinausgewachsen, das Kapital ist gewissermaßen längst internationalistisch. Stattdessen macht das Wort von der Globalisierung die Runde, und es gibt auch eine weltweite Anti – Globalisierungsbewegung. Neue politische Fronten tun sich auf und sie gehen quer über die einstigen linken und rechten politischen Lager.
In Deutschland scheint sich die politische Linke in ein „anti-imperialistisches“ und ein „anti-deutsches“ Lager zu teilen, wobei das antideutsche Lager sich mehr und mehr zu einem Bündnispartner der us-amerikanischen Neokonservativen zu mausern scheint .
„Nation Europa“ ist ein Schlagwort der so genannten Neuen Rechten, die den Nationalstaatsbegriff offensichtlich auf ganz Europa auszudehnen gedenkt . Aber auch in allen anderen Parteien der politischen Landschaft sind Polarisierungen zwischen einer proamerikanischen und einer eurozentrierten Richtung ablesbar, spätestens seit der Irak – Invasion der USA 2003. Gewichtige Teile der europäischen Plutokratien sind offenkundig nicht gewillt, sich der us-amerikanischen Plutokratie um die dortigen Neocons und Theocons bedingungslos unterzuordnen.
Steht also eine Art „Supernationalismus“ bevor? Ist ein konkurrierender Dualismus zwischen den USA und einer Art Vereinigter Staaten von Europa die nahe Zukunft?
Das ist nicht auszuschließen. Ich kann diese Frage auch nicht in aller Ausführlichkeit in diesem Aufsatz erläutern.

Ich möchte nur daran erinnern, dass ich, der Verfasser dieser Zeilen, mich an einem Super – Nationalstaat Europa ebenso wenig erwärmen kann wie an einem Nationalstaat Deutschland. Nach wie vor fühle ich mich dem Ziel der Schaffung einer Zukunftsgesellschaft verpflichtet, die etwa der Vision eines Charles Fourier von der „Harmonie“ entspricht. Vielleicht muss das zwischendurch auch einmal klar gesagt werden.

Ich beschäftige mich aber auch sehr wohl mit der Entwicklung politischer Alternativen zu dem spätkapitalistischen Super – Nationalismus, der möglicherweise bevorsteht.
Es gibt definitiv das Bedürfnis von Menschen nach Zugehörigkeit und Identifikation, niemand kann das ernsthaft bestreiten. Wir wissen auch, dass dieses Bedürfnis von Menschen nach Zugehörigkeit und Identifikation auch missbraucht werden kann – zum Beispiel durch den Nationalismus, aber auch durch einen Fußball – Fanclub.
Wenn die Gemeinschaftsbewegung Keime einer Zukunftsgesellschaft entwickeln will, dann muss sie auch ein Modell vorschlagen können, das nicht nur das kooperative Umgehen von Menschen im kleinen Rahmen, sondern auch im großen Rahmen regeln kann – bewusst als Alternative zu den Nationalismen der bisherigen Geschichte.

Ein solches Modell könnte das Europa der Regionen sein.

Ein Europa, eine Welt der Regionen?

Die Überdehnung der großen Nationalstaaten Europas und die Herausbildung der EU führte in den letzten Jahrzehnten zu einem verstärkten Auftreten so genannter regionalistischer Bewegungen, deren Forderungen von der Eigenstaatlichkeit ( z.B. Bayernpartei, baskische Aberzales , SNP und SSP in Schottland) bis zur Autonomie (elsässische Autonomisten, PNV , BNG , Convergencia i Unio , SVP) reichen. Die politische Ausrichtung dieser Bewegungen ist durchaus unterschiedlich, so gibt es radikal linke (Herri Batasuna und Nachfolger im Baskenland, Sinn Fein in Nordirland, ERC in Katalonien), rechtsextreme (Lega Nord in Italien ) und „mittige“ (Bayernpartei, PNV im Baskenland). Die Regionalisierung Europas wird von so verschiedenen Seiten angedacht, dass es sich nicht einfach um die eindimensionale Frage Links-Mitte-Rechts handelt. Vielmehr deutet das stete Wachstum regionalistischer Parteien darauf hin, dass der so genannte Nationalstaat ausgedient hat, er ist nicht mehr identifikationsfähig. Aber ein bürokratisch vereintes Europa mit abgehobenen Zentralverwaltungen in Brüssel und Straßburg ist offenkundig auch keine Alternative. Eine staatlich vereinigte EU wäre zwar im Unterschied zu den großen Nationalstaaten zwar nicht sprachlich vereint, aber in der Verwaltung noch viel abgehobener, als es die „nationalen“ Regierungen jetzt schon sind. Ganz abgesehen davon, dass ein bürokratisch vereintes Europa auch der spätkapitalistischen Globalisierung mit der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums auf wenige Weltkonzerne (spaßigerweise „Privatisierung“ genannt) keinen Einhalt gebieten würde. Nicht zufällig schlägt sich das Unbehagen großer Bevölkerungsteile vor der kapitalistischen Globalisierung sich oft in der Wahl xenophobischer (fremdenfeindlicher) rechtsextremer Parteien nieder, die als Alternative zu den kapitalistischen Superstaaten ausgerechnet die Rückbesinnung auf die „nationale Identität“ vorschlagen (Front National in Frankreich, Wahlerfolge der mit antikapitalistischen Parolen auftretenden NPD in Sachsen, europafeindliche Parteien in Großbritannien etc.).

Ursachen des Regionalismus

Welche Ursachen hat die regionalistische Bewegung in Europa? Es ist zweifellos auch die Tatsache, dass das entrückte Behörden-Europa vielen Menschen unheimlich geworden ist. War schon die Identifikation mit dem Nationalstaat meistens nur um den Preis von Ausgrenzung und Xenophobie herbeizuführen, so gelingt die Identifikation mit Europa allenfalls in Gegnerschaft zum amerikanischen Imperialismus.
Eine Region dagegen ist etwas überschaubares, ja sinnlich Erfahrbares. Mir fiel bei meinen Aufenthalten im Baskenland auf, dass selbst viele spanischstämmige, also nichtbaskische Menschen sich mit dem Anliegen der baskischen Unabhängigkeitsbewegung identifizierten. Ein unabhängiges und von den Behörden in Madrid nicht gegängeltes Baskenland ist für viele identifikationsfähig, identifikationsfähiger jedenfalls als „Spanien“ oder „Europa“. Es ist allein eine Frage der Größe des geographischen Raumes. Dabei geht es überhaupt nicht um die Aufrichtung neuer Grenzen und Schlagworte, sondern im Regionalismus kommt der starke Wille der Menschen zur Selbstbestimmung zum Ausdruck.
Dies begreift man nur, wenn man das nicht abstrakt, sondern emotional versucht zu verstehen. Die Identifikation mit dem Wunsch auf Selbstbestimmung einer bestimmten Region und ihrer Menschen hat einen unwiderstehlichen Reiz, und dieser Wunsch ist auch subversiv.
Ging es denn der sozialistischen Arbeiterbewegung denn letztlich in ihrem Ursprung nicht um die kollektive Selbstbestimmung der Menschen über sich selbst und ihre gesellschaftlichen Zustände? Ich denke, es geht wirklich darum, zu begreifen, dass der Wunsch nach Selbstbestimmung subversiv ist in dem Sinne, dass er die staatlichen und überstaatlichen Machtstrukturen der weltweiten Plutokratien in Frage stellt.
Die Plutokratien üben einen mächtigen Teil ihres Einflusses über abgehobene Parteien aus, die kaum noch Verbindung zur sie wählenden Bevölkerung haben. Die großen Parteien stellen im Grunde nur Varianten der immer gleichen Politik zur Wahl, nämlich des ständigen Krisenmanagements der Krisen des Spätkapitalismus. Am ausgereiftesten ist dieser Prozess in den USA, wo der Gegenkandidat zu George Bush, Kerry, Mitglied in der gleichen plutokratischen Loge ist wie sein Gegner, der „Skulls & Bones“, und die Unterschiede der Politik der beiden großen Parteien nur noch Showelemente sind.

Revolutionärer Regionalismus als Beitrag zu einer globalen Transformation

Eine Art revolutionärer Regionalismus wäre eine Strategie nicht nur gegen die Plutokratisierung der Politik, sondern auch als Übergangskonzept zur Entwicklung einer Zukunftsgesellschaft. Die Selbstbestimmung der Menschen in einem sinnlich erfahrbaren geographischen Raum, das ist letztlich auch die utopische Vorstellung der so genannten Frühsozialisten gewesen, die sich die Zukunft als ein Netzwerk kooperativer Gemeinschaften vorstellten. Und auch die von den Anarchisten geforderte Auflösung von allen staatlichen Zwangsorganisationen kann nur eine auf Freiwilligkeit beruhende „freie Assoziation der Produzenten“ zum Ziel haben.
Mir ist bekannt, dass manche Leute aus dem linken Lager hinter dem Regionalismus eine neue Form des „Nationalismus“ wittern, und da das was „böses“ ist, muss der Regionalismus auch etwas „reaktionäres“ und etwas „rechtes“ sein.
Ich antworte darauf, dass es darauf ankommt, mit welchen Inhalten Regionalismus gefüllt wird. Regionalismus ist eine Erscheinung in allen politischen Lagern etwa in Frankreich, Spanien oder Großbritannien, in Deutschland nun gerade nicht.

Zu den Inhalten, mit denen Regionalismus gefüllt werden kann. Wenn ein revolutionärer Regionalismus vor allem den Willen zur Selbstbestimmung von Menschen in einem geographisch überschaubaren Raum beinhaltet, dann ist das progressiv und eine Entwicklung zu einer Zukunftsgesellschaft hin. Wenn Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit, also neuerlicher Gruppenegoismus und Ethnozentrismus, ihn beherrscht, dann ist das reaktionär.
Die Lega Nord in Italien ist meines Wissens die einzige regionalistische Partei, die explizit rechtsextreme Positionen eingenommen hat . Dies hat mit den spezifischen Bedingungen in Italien zu tun, der extremen Nord – Süd – Spaltung und der Geschichte des Einflusses der Mafia auf die römische Politik. Die Mehrheit der anderen regionalistischen Parteien haben eher linke oder sogar linksradikale Ursprünge . Das bedeutet nicht, dass diese Parteien und Bewegungen deshalb unbedingt eine bessere Politik machen. Die baskische ETA hat z.B. mit ihrer Strategie des individuellen Terrors der Sache eines unabhängigen Euskadi schwer geschadet und den frankistischen Machthabern in der PP in die Hände gearbeitet.
Es gibt seit einigen Jahren Bestrebungen der zahlreichen regionalistischen Bewegungen, sich europaweit zusammenzutun. Hierbei wirken die Europa – Grünen teilweise als Magnet. Auf der Linken gibt es schon seit langem freundschaftliche Beziehungen zwischen baskischen, irischen, bretonischen und schottischen „Linksnationalisten“, aber auch bürgerliche regionalistische Parteien wie die bayrische Bayernpartei, die baskische PNV und die katalanische CiU streben nach europaweiter Alliierung. Es scheint sich eine Art internationalistischer Regionalismus zu entwickeln.
Ich glaube, dass die Befürchtungen, eine regionalistische Bewegung könne in einen neuerlichen militärischen Nationalismus münden, vollkommen absurd sind. Glaubt denn jemand ernsthaft, ein unabhängiges Baskenland könne sich blitzkriegmäßig über halb Europa hermachen? Oder ein unabhängiges Schottland würde danach trachten, so bald als möglich London einzunehmen? Würde ein unabhängiges Korsika seine Schiffe zu Raubzügen ausschicken wie in der Antike?
Oder selbst nur das: würden die unabhängigen Regionen Wales, Cornwall, Wessex, Schottland und Ulster etwa zu einem solchen Kriegszug wie den an der Seite der USA gegen den Irak in der Lage sein, die es Tony Blairs UK tat, vorausgesetzt natürlich, das Vereinigte Königreich wäre aufgelöst und die Bevölkerung dieser Regionen hätten ein wirkliches Entscheidungsrecht darüber, ob und auf welchen Schlachtfeldern ihre Mädels und Jungs verheizt werden?
Tatsächlich ist von einem regionalisierten Europa nicht zu erwarten, dass es zu imperialistischen Expansionsgebaren in der Lage wäre, vorausgesetzt natürlich, die autonomen Regionen besitzen reale Kompetenzen und ein reales Selbstbestimmungsrecht, kulturell, politisch und natürlich auch militärisch. Ein regionalisiertes Europa aus kleinen Einheiten, die gleichberechtigt in ihrer Vielfalt nebeneinander stehen und frei miteinander zusammenarbeiten, wäre kaum für die Interessen supernationaler Konzerne leicht missbrauchbar. Käme es dagegen zu einer Art Spiegelbild der USA, wo die so genannten Bundesstaaten in ihrer großen Mehrheit ebenfalls rein künstliche Gebilde sind , dann ist eine Art Super – Imperialismus im späten Spätkapitalismus geradezu unvermeidlich.

Natürlich wäre mit der Auflösung der europäischen Nationalstaaten in kleine Regionen noch nicht der globale Kapitalismus transformiert. Die Fortdauer des Kapitalismus trotz seiner ständigen Krisen hat zur Ursache, dass die Keimformen einer „sozialistischen“ (im Sinne von Marx und Engels, nicht im Sinne des untergegangenen so genannten „Realsozialismus“) Ökonomie noch gar nicht herangewachsen sind. Betriebe, die in kooperativ-synergetischer Weise auf Teamarbeit basierend für Bedarfsdeckung statt für Profitmaximierung arbeiten, sowie Austauschformen, die auf zinsfreien Währungen basieren, sind hier notwendige Grundelemente, die gleichwohl selbst eine stabile Basis aus Großgemeinschaften brauchen. Der revolutionäre Regionalismus wäre nur ein Element der Transformation, das ohne die anderen Elemente durchaus unwirksam sein oder sogar entarten kann.
Gemeinschaftsbildung, Stämmebildung plus Bio – Regionalismus, das kann eine Transformationsstrategie des 21. Jahrhunderts sein. Diese Transformationsstrategie ist grundsätzlich friedfertig angelegt, die Bildung von positiven, nicht ausgrenzenden Identitäten wäre das Ziel.
Hier ist ein breites Feld politischer Möglichkeiten gegeben, vor allem für das, was man Gemeinschaftsbewegung nennen könnte.
Ich sehe es durchaus optimistisch: Großgemeinschaften, stammesartige Zusammenschlüsse können entstehen, wenn die ersten Kerne die nötige Anziehungs- und Überzeugungskraft entwickeln.
Gewissermaßen im Schlepptau der Gemeinschaftsbewegung, die übrigens in den USA eine lange und sehr ehrenvolle Tradition hat (ist nicht nur alles Bush in Amiland), kam die letzten Jahre ein weiterentwickeltes Konzept von Regionalismus über den Teich, das Bio – Regionalismus genannt wird. Ich möchte das Konzept kurz vorstellen.

Bioregionalismus

Zur Darstellung des Begriffes Bioregionalismus zitiere ich aus dem Aufsatz „Bioregionalismus – Ein Überblick“ von Bernd Hamm und Barbara Rasche, im Internet:
http://www.uni-trier.de/zes/schriftenreihe/053.pdf.

Der Ausdruck Bioregionalismus setzt sich aus drei Teilen zusammen: „bios“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet das „Leben“ im Allgemeinen. Die Bioregionalisten übersetzen dieses Wort gerne mit „ganzheitlichem Leben“. „Regional“ bedeutet innerhalb physischer oder geographischer Grenzen. „Ismus“ ist der Mensch, der versucht, innerhalb eines Raumes als Teil der Bioregion zu leben und sich mit ihr zu verbinden (Gugenberger & Schweidlenka 1995: 10).

Eine Bioregion soll es den Menschen ermöglichen, sich in ihre Umwelt einzufügen, Teil der Natur zu sein, ohne sich dabei an die Spitze zu setzen und alles zu beherrschen. Eine Bioregion bietet die Gelegenheit, alle natürlichen Gegebenheiten, die die Menschen in einem bestimmten Raum umgeben, praktisch im eigenen Handeln zu erfahren, genau zu beschreiben, zu analysieren und zu verstehen. Darauf aufbauend ist es möglich, angepasste Verhaltensformen zu erarbeiten, die einer Ausbeutung des Raumes entgegenwirken und seine natürlichen Charakteristika nachhaltig schützen.

Aus dieser Definition wird ersichtlich, dass es sich hierbei nicht um eine administrative oder politische Einheit handelt, sondern dass eine Bioregion durch geographische und ökologische Bedingungen definiert wird.
Der Begriff wurde in den 70er Jahren zum Schlagwort für eine neue Bewegung von Umwelt- und Friedensaktivisten in Nordamerika. Die Anhänger des Bioregionalismus orientieren sich nicht an politischen Grenzen, sondern richten sich nach natürlichen Gegebenheiten. Sie versuchen ein Gleichgewicht zwischen der Leistungsfähigkeit der natürlichen Ressourcen und der Lebensgemeinschaften (Pflanzen, Tier und Mensch) eines Raumes herzustellen, das durch ökologische, ökonomische und soziale Kriterien definiert wird

AnhängerInnen des Bioregionalismus sehen darin eine bereits seit Urzeiten vorhandene Verhaltensweise gegenüber der Natur. Diese historische Tradition endet in den meisten Fällen dort, wo sog. „Hochkulturen“ ihren Einfluss ausweiteten. Aber auch im Umfeld der Hochkulturen lassen sich bioregionalistische Verhaltensweisen ausmachen. Sale (2000: 3 ff) nennt als Beispiele die griechische Mythologie, speziell jene um die Erdmutter Gaia, und findet Ansätze bei Kelten und Germanen. Die heute noch existierenden archaischen Stammeskulturen/indigenen Völker seien Zeugen einer früher weltweit verbreiteten bioregionalistischen Weltsicht.

Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass der Bio – Regionalismus sich in Deutschland teilweise heftigen Anwürfen von links-dogmatischer Seite ausgesetzt sieht , während rechte Splittergruppen sich teilweise positiv auf ihn beziehen . Das ist beides kurios. In den USA dagegen gibt es eine heftige Spaltung zwischen so genannten „Ökoanarchisten“ und so genannten „Ökofaschisten“. Die Wurzeln des Bioregionalismus liegen allerdings in der Jugendrevolte 1967/68, der Umweltbewegung und der Hippiebewegung, der Bio – Regionalismus verträgt sich als Konzept mit völkischen und nationalistischen Konzepten ebenso wenig wie mit den staatskapitalistischen und etatistischen Vorstellungen vulgärmarxistischer Apologeten.

Regionalismus contra Nationalismus


Die Merkmale eines revolutionären Regionalismus gegenüber jeglicher moderater oder extremistischer Spielart von Nationalismus wären folgende:
- das Fehlen jeglicher genetischen oder ethnischen Definition von Identifikation und Zugehörigkeit. Dies scheint mir wesentlich, um eine Abgrenzung zu völkisch-nationalistischen Konzepten zu schaffen. Die jeweilige Bevölkerung einer Region und ihre Selbstbestimmung ist der Angelpunkt.
- Die Forderung nach vielfältigen Formen unmittelbarer Demokratie und Partizipation.
- Abbau des Staates statt der Schaffung neuer staatlicher Strukturen. Der Aufbau funktionierender Großgemeinschaften ist die Alternative zum maroden Sozialstaat. Ein starker Staat, Urforderung der politischen Rechten, ist niemals Ziel des revolutionären Regionalismus.
- Ein revolutionärer Regionalismus dürfte auch niemals auf sich selbst bezogen bleiben, sondern muss sich als integraler Bestandteil einer weltweiten Antiglobalisierungsbewegung begreifen. Engste Zusammenarbeit und Vernetzung der regionalistischen Bewegungen ist notwendig in jeder Phase.
- Die Gleichwertigkeit aller Regionen auf der Basis der freien Entscheidung der Menschen über ihre Zugehörigkeit

Es ist wichtig zu begreifen, dass es nicht etwa um die Glorifizierung irgendeiner bestimmten Region und eines bestimmten Regionalismus geht. Regionalismus lässt sich überall entwickeln und kultivieren, nicht nur in Nemetien. Gemeinschaftsbewegungen in Oldenburg könnten etwa die Tradition der Friesen und Friesland als regionalistischen Bezugspunkt wählen, in der Kölner Gegend etwa die historischen Ubier. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.
Es darf dabei auch keine Dogmen geben, etwa um die Frage, wo denn jetzt genau die Grenzen Nemetiens zu ziehen sind . Regionalismus macht nur einen Sinn als Multi – Regionalismus, etwa in dem Sinne „Jeder Region ihren Regionalismus“, und lieber viele Regionalismen als wenige. Gleichwohl wird ein friedfertiger revolutionärer Regionalismus unbedingt auf die Anwendung gewaltsamer, terroristischer Mittel verzichten, die nur kontraproduktiv sind.

Hat Nemetien das Zeug zu einer Region?


Hat Nemetien die historischen, kulturellen und ökonomischen Anlagen, eine europäische Region zu werden in einem künftigen regionalisierten Europa, vergleichbar mit der Bretagne, mit Euskadi, mit Schottland?
Durchaus.
Ökonomisch ist die Region, je nachdem, wie weit man sie definiert, ein ökonomischer Fokus, mit industriellen Zentren wie Ludwigshafen, Mannheim, Heidelberg, Offenburg und Karlsruhe. Historisch kann sich Nemetien nicht nur auf die antiken Nemeter, sondern auch auf die fortschrittliche Tradition der Kurpfalz und nicht zuletzt auf die badisch-pfälzische Revolution beziehen. Schließlich wurde nirgendwo so erbittert und so konsequent um die freie Republik gekämpft wie in Pfalz/Baden, von so hervorragenden Persönlichkeiten wie Friedrich Hecker, Carl Schurz, oder auch Friedrich Engels, der im Willichschen Freikorps als Adjutant diente, das sich den preußischen Invasionstruppen entgegenstellte.
Kulturell gibt es gleichfalls gute Traditionen dieses geographischen Raums, ganz zu schweigen von denen, die sich entwickeln ließen.
Nun, lieber Leser, liebe Leserin, du wirst jetzt sicher sagen, das ist ja alles ganz schön und gut, aber es gibt ja gar keine nemetische Autonomiebewegung, es gibt auch keine nemetische Identität, das ist ja alles nur „Schön-wäre-es-wenn“.
Das stimmt natürlich. Es gibt noch keine nemetische Autonomiebewegung, es gibt auch noch keine nemetische Identität. Aber Menschen können beides erschaffen. Auch Nemetien kann erschaffen werden. Zugegeben sind das eine große Aufgabe und ein großes Ziel. Aber es lohnt sich.
Interessanterweise hat die Europäische Gemeinschaft Nemetien schon längst zu einer europäischen Region ernannt, wenn auch unter anderem Namen: Pamina nennt sich die europäische Region, die sich aus Pfalz, Mittlerer Oberrhein und Nordelaß zusammensetzt.

Nemetien als konkrete soziale Utopie


Dass der Begriff Nemetien noch vollkommen unverbraucht und unmissbraucht ist, das hat ja auch gewaltige Vorteile: er lässt sich mit konstruktivem Inhalt füllen. Nemetien ist ja nur geographisch die Region, die man mit „Mittlerem Rheintal“ plus umgebende Gebirge umschreiben könnte.
Nemetien ist ja letztlich auch ein Ausdruck für eine positive Utopie, für eine lebenswerte Zukunftsgesellschaft. Nemetien ist ja nicht einfach nur ein Rückbezug auf eine Tradition der Vergangenheit. Nemetien ist eine geeignete kollektive Identität für Menschen, die auf der Grundlage der 8 Prinzipien eine Zukunftsgesellschaft im Schoße der Alten Welt erschaffen wollen. Alle Eigenschaften, die sich die großen Utopisten wie etwa der überragende Charles Fourier für eine lebenswerte Zukunftsgesellschaft vorstellten, sind keimhaft in den acht Prinzipien enthalten: Gemeineigentum, Gemeinschaft beim Leben und Arbeiten, liebevolles Umgehen der Menschen miteinander, Kultivierung der Leidenschaften statt ihrer Unterdrückung, Harmonie mit der Natur.
Würde die Vision von diesem Nemetien viele Menschen ergreifen, und sie würden darangehen, die Elemente dieser Vision in ihrem Alltagsleben zu verwirklichen, dann würde sich die Realität auch verändern. Es ist eben ein Unterschied, ob man zersplittert hier ein wenig Permakultur betreibt, dort in eine WG zusammenzieht, hier sich zu einer Gruppenehe zusammenfindet, dort an einem teamorientierten Betrieb laboriert, oder ob man alle Elemente einer lebenswerten Kultur zu einem gemeinsamen Ganzen in einem überschaubaren geographischen Rahmen zusammenführt, der Vision von Nemetien, einer konkretisierten Utopie mitten in unserer Welt.
Nemetien, das wäre eine kollektive Identität aller Menschen, die ihre Hoffnungen und Visionen in den 8 Prinzipien wieder finden, und die sich vereinen, sie zu verwirklichen. Die Kräfte selbst anfänglich weniger Menschen werden sich potenzieren, sie werden andere Menschen anziehen für die große Vision Nemetien, die doch auch nur ein Baustein ist im großen Prozess der Umgestaltung der Welt für eine lebenswerte Zukunft. „Global denken, lokal handeln“ proklamierte Capra in seinem vielbeachteten Buch „Wendezeit“, wo er den Übergang zu einer neuen Menschheitsepoche ankündigt, die die in Krise geratenen Systeme Kapitalismus, Monotheismus, Patriarchat etc. ablösen wird.
Nemetien bedeutet „Global denken, regional handeln“. Nemetien ist auch überall, aber indem wir in unserer Region an einer lebenswerten Zukunft arbeiten, leisten wir unseren Beitrag zur Veränderung der Welt.

Ein Wort an die Linken
Denjenigen, die aus linken politischen Traditionen kommen, möchte ich sagen, dass es bei Nemetien gar nicht darauf ankommt, alte Ziele und Ideale abzulegen, vielmehr kommt es gerade darauf an, sie zu erfüllen. Ein Marx und ein Engels haben sich ihr ganzes Leben auf die positiven Utopien eines Charles Fourier bezogen, dessen Visionen von der „Harmonie“ sie beflügelte.
Sie gingen tatsächlich davon aus, dass parallel zum politischen Prozess Gemeinschaftsprojekte, „kommunistische Gemeinschaften“ erblühen würden, ausdrücklich gemäß den Vorstellungen Fouriers. Die nachfolgenden „Marxisten“ haben diese Ursprungsvision mehr und mehr vergessen. Doch wie sollen sich Millionen Menschen weltweit zusammenfinden, um dem Kapitalismus und seinen Übeln ein Ende zu bereiten, wenn sie nicht wissen wofür, was sie an seine Stelle setzen sollen? „Marxistisch“ ausgedrückt handelt es sich also um eine Krise des subjektiven Faktors des Proletariats . Wo Sozialismus / Kommunismus nicht (natürlich positiv) erfahrbar ist, da kann auch keine kollektive Vision davon entstehen, und wenn keine kollektive Vision entsteht, dann wird es auch in 1000 Jahren nicht zu einer sozialistischen Weltrevolution kommen. Denn das, was als sozialistische Weltrevolution verstanden wurde von den Schöpfern dieses Begriffes, das war nichts anderes als der gemeinsame, freiwillige und übereinstimmende Wille von Millionen Menschen, ein veraltetes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zu beenden und durch ein besseres, neues zu ersetzen. Das hatte noch nichts von dem Gewaltgeruch, den dieser Begriff später bekam. Und was ist aus diesem Begriff geworden! Aber das ist ein anderes Thema.
Keine Gesellschaftsform wird abgelöst, ehe nicht die neue Gesellschaftsform in ihrem Schoße herangewachsen ist. Das haben Marx und Engels viele Male ganz klar gesagt. Und wo ist die kommunistische Gesellschaftsform im Schoße der kapitalistischen? Wo gibt es denn die Keimzellen der Zukunft, die Phalansterien, die Fourier visionierte, die „kommunistischen Ansiedlungen“, Großgemeinschaften, von denen ein Engels glaubte, dass sie sich zu seiner Zeit schon entwickelten und ausbreiteten? Vor lauter Klassenkampf scheint vergessen zu sein, dass die alte Welt nur durch eine entwickelte neue überwunden werden kann.
Es gilt also, Keimformen der Zukunftsgesellschaft zu erschaffen, die im Hier und Jetzt einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft eröffnen. Entsteht Nemetien, dann entsteht eine neue Welt im Schoß der Alten, sichtbar, erfahrbar, sicher noch irrend und schwankend, aber als eines von vielen Leuchtfeuern auf dieser Welt auf dem Weg in eine gewaltfreie, solidarische, gemeinschaftsorientierte, vernetzte Welt.

Wie entsteht Nemetien?

Nemetien entsteht natürlich durch Menschen, durch Menschen, die an diese Vision glauben und sie in die Wirklichkeit bringen wollen. Nemetien wird geschaffen durch Menschen, die die acht Prinzipen annehmen und bejahen können und ihre Wünsche und Visionen, ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse, aber auch ihre Bedürfnisse und ihre Persönlichkeit in das Projekt einbringen.
Nemetien wird auf absoluter Freiwilligkeit aufbauen, es wird keinen Gruppenzwang, sondern freie Kooperation zwischen freien Menschen geben. Nemetien wird natürlich menschlich-emotional eine Identifikationsgemeinschaft sein, so wie eine Nation positiv auch eine Identifikationsgemeinschaft ist, in dem Sinne, dass Menschen sich zugehörig fühlen und sich identifizieren. Aber das ist auch schon die einzige Gemeinsamkeit zwischen einer Heimat Nemetien und etwa einer „Heimat Deutschland“. Die Heimat Nemetien wird durch ein Netz von Kooperation und Kommunikation hergestellt werden, nicht durch Abgrenzung und Dünkel. Ein auf dieser Basis existierendes Zusammengehörigkeits- und Zugehörigkeitsgefühl wäre eine starke Kraft.
Dies setzt vor allem die Einübung gewaltfreier und nötigungsfreier Kommunikationsformen und Haltungen voraus, denn eine Zukunftsgesellschaft darf schon in ihrem Keim keine Zwangsgemeinschaft sein. Jeder Mensch entscheidet selbst darüber, ob und wie er sich auf Nemetien einlässt. Auf dieser Grundlage könnten viele Stämme entstehen, Großgemeinschaften mit vielfach abgestuften und differenzierten Formen von freiwilliger Verbindlichkeit.
In diesem Sinne ist das Projekt Nemetien eine Einladung an alle Menschen, die an einer lebenswerten Zukunftsgesellschaft arbeiten wollen, unter diesem Symbol zu kooperieren und zusammenzuwirken. Dass das Projekt Nemetien auch eine politische Dimension haben kann, wollte ich in diesem Artikel aufweisen.
Eine lebenswerte Zukunft kann nur in einer gesellschaftlichen Ordnung bestehen, die auf der Freiwilligkeit von Menschen und Menschengruppen basiert, und es kann sich dabei nicht um monströse zentralistische Staaten handeln. Eine befreite Gesellschaft muß schon in ihren Ansätzen herkömmliche Staatlichkeit (im Sinne von Zwangsorganisationen) überwinden, wozu ein revolutionärer Regionalismus weltweit der Weg sein kann.

-Raven-

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